Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
traurig war, dass ich glaubte, den nächsten Tag nicht überstehen zu können. Aber tief drinnen wusste ich trotz allem, dass irgendwo, irgendwann die Liebe und das Glück auf mich warten würden. Trotz aller Enttäuschungen. Trotz aller Verluste. Manchmal ist die Liebe groß und bunt und leidenschaftlich. Und manchmal ist sie ganz leise und bescheiden. Dann muss man genau hinschauen, um sie erkennen zu können. Vielleicht ist das jedoch die größte Gabe, die Gott einem Menschen schenkt.«
    »Ich glaube nicht, dass mir das je gelingen wird.« Weras Stimme war plötzlich klein und mutlos.
    Olly lachte. »Aber darin sind wir beide wahre Meister! Schau dich doch um, wie viele wundervolle Menschen um uns herum sind, die uns lieben und die sich um uns sorgen: meine wunderbare Evelyn, Karl, meine ganze Familie und deine Schwester, die allesamt den weiten Weg aus Russland angereist sind, genau wie mein lieber Freund Iwan … Aber das Größte und Schönste, was mir je in meinem Leben widerfahren ist –« Sie machte eine kleine Pause. »Das bist du.«
    »Ich? Ich bin doch nur ein böses Kind.«
    »Das darfst du nie mehr sagen, hörst du?«, entgegnete Olly schärfer, als sie wollte. »Es stimmt einfach nicht.«
    »Aber … ich bin doch nur ein Ersatzkind für dich und kein echtes, eigenes.«
    »Ersatzkind! Dieses Wort hast du erfunden, nicht ich. Natürlich hätteich gern eigene Kinder gehabt. Als sie nicht kamen, Jahr für Jahr, habe ich viel geweint. Ich fühlte mich so nutzlos! War ich Gott nicht gut genug? Traute er mir nicht über den Weg? Heute weiß ich, dass unser Herr andere Pläne für mich hatte. Er hat mir dich geschenkt …«
    Noch während sie sprach, begannen Weras Augen tränennass zu glänzen.
    »Ich hab dich so lieb! Viel mehr, als du denkst.« Sie schlang Olly beide Arme um den Hals, drückte ihre verschmierte Nase an ihre Schulter. Beide genossen stumm den seltenen Moment voller Zärtlichkeit.
    Irgendwann war Ollys Kleid durchnässt von Weras Tränen, und sie lösten sich voneinander.
    »Genug geweint. Und auch genug vom Gestern, wir leben heute, hier und jetzt. Weißt du eigentlich, was man vom Diamant behauptet? Er verleihe seiner Trägerin göttlichen Glanz«, sagte Olly theatralisch und hielt Wera ein Armband mit Hunderten von kleinen Altschliffdiamanten hin. »Legst du es mir bitte ums linke Handgelenk?«
    »Göttlicher Glanz, den besitzt du auch so, dafür brauchst du keine Diamanten. Du bist wunderschön.«
    »Keine Sorge, dich machen wir nachher auch noch hübsch. Deine Schwester wird staunen, wenn sie sieht, was für feine Kleider wir für dich in Stuttgart haben anfertigen lassen. Und weißt du was? Zur Feier des Tages bekommst du das hier von mir!« Suchend fuhr sie mit dem Zeigefinger durch die Schmuckstücke, dann überreichte sie Wera eine goldene Kette mit einem kleinen Anhänger.
    »Ein Amethyst?« Mit ungewohnter Vorsicht legte Wera die Kette probeweise um. »Hat dieser Stein etwa auch eine Bedeutung?«
    Olly nickte. »Das ist der Stein der Phantasie. Wenn er zu einem Menschen passt, dann zu dir.«
    Der Rest des Nachmittags verging in froher Stimmung. Der große Saal des Friedrichshafener Schlosses war mit Hunderten von Sonnenblumengeschmückt worden, so dass jeder beim Eintreten das Gefühl hatte, von wohlig warmem Sonnenlicht umhüllt zu werden. Gelbe Bienenwachskerzen steckten in Dutzenden von Leuchtern und erfüllten die Luft mit süßem Honigduft. Das von Karl organisierte Festdiner zu Olgas Ehren vereinigte alles, was es an russischen und schwäbischen Köstlichkeiten gab: in feinster Butter gebratene Bodenseefische, geräucherter Stör aus der Ostsee, Kalbsfilet mit duftenden Pfifferlingen, Blinis, dazu Berge von Kaviar und saurer Sahne. Aus dem königlichen Weinkeller wurden die besten Flaschen geholt, Champagnerkorken knallten, die Tischgespräche wurden immer fröhlicher. Zur Feier des Tages durften Wera, ihre Schwester Olgata und Wily am Tisch der Erwachsenen sitzen, und alle drei benahmen sich vorbildlich.
    Es war kurz vor zehn Uhr, als Karl aufstand und mit einer leichten Verbeugung Olly den Arm reichte.
    »Wenn ich bitten darf?«
    König und Königin führten die Parade an, die auf dem langen Balkon des Schlosses endete.
    »Für dich, mein Herz.« Karl zeigte auf den Bodensee, wo Hunderte von kleinen Booten, beleuchtet mit weißen Lampions, wie Glühwürmchen auf dem Wasser schaukelten. Die Kaimauer wurde gesäumt von Fackelträgern, die nun auf ein geheimes Stichwort

Weitere Kostenlose Bücher