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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hin ihre Lichter entzündeten.
    »Und hier, auch für dich!«, sagte Karl und deutete lächelnd auf das größte Boot auf dem See, auf dessen Längsseite kunstvoll der Name »Olga« gepinselt war.
    »Ein Boot? Ich habe noch nie ein Boot besessen! Damit werden wir herrliche Ausflüge machen, ja?« Mit vor Freude geröteten Wangen schaute Olly Karl und Wera an, die beide begeistert nickten. Für einen kurzen Moment verfing sich ihr Blick in Iwans, der hinter ihnen stand. Olly lächelte ihn an, dann schaute sie wieder nach vorn.
    Adieu, mon amour. Auch ich werde dich immer lieben.
    Kanonendonner ertönte, dann erschollen mehrere Hörner. Im nächstenMoment wurde der Himmel über dem See gleißend hell. Das Feuerwerk – Karls größte Überraschung – begann.
    Ein Orchester, das bis dahin im Verborgenen gewartet hatte, hob zeitgleich zu Beethovens 9 . Sinfonie an. Flötenklänge rankten sich um die schwermütige Oboe, Klarinetten umtanzten spielerisch das Fagott, Hörner ertönten, und kurz darauf setzte der Chor ein.
    Freude, schöner Götterfunken Tochter aus Elysium,
    Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum!
Deine Zauber binden wieder
Was die Mode streng getheilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
    Mit Tränen in den Augen hielt Olly Wera und Karl an den Händen.
    Genau diesen Moment hatte sich ihr Vater immer für sie erträumt. Für sie, die Zarentochter. Für sie, sein Lieblingsmädchen.
    »Auch in deiner Straße wird es einmal ein Fest geben«, hatte ihre alte Hofdame und Freundin Anna einst zu ihr gesagt. Es hatte weiß Gott lange genug gedauert, aber Anna – und ihr Vater – hatten recht behalten. Das hier war ihr Fest.
    Gedanken und Gefühle brodelten in ihr auf, kühlten wieder ab, um im nächsten Moment zu einem tosenden Crescendo anzuschwellen. Sie war Königin von Württemberg. An ihrer Seite stand der König. Das Volk feierte und liebte sie. Und alles war gut, wie es war.
    *
    Mitglänzenden Augen schaute Wera auf das Feuerwerk. So etwas Schönes hatte sie noch nie gesehen. Sie warf einen verstohlenen Blick hinüber zu ihrer Schwester, die etwas abseits stand. Bestimmt weilten ihre Gedanken beim Griechenkönig.
    Und wenn schon, dachte Wera mit leichtem Herzen. Ich brauche keinen Griechen, um glücklich zu sein.
    Froh, wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächt’gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum Siegen.
    War ihr der große Wurf gelungen, »eines Freundes Freund zu sein«? Sie glaubte schon. Hier und jetzt, auf diesem Balkon, waren alle Menschen Brüder geworden.
    Mit ihrer freien Hand kramte sie ein Blatt Papier aus ihrer Tasche. Ihre Finger zitterten ein wenig beim Auseinanderfalten. Im Licht funkelnder Götterstrahlen las sie die Worte, die sie ihre Kindheit lang begleitet hatten, ein letztes Mal: »Du kannst so reich sein wie Krösus, so schön wie eine Blume, so weise wie Salomon, so stark wie ein Bär – mangelt es dir jedoch an der Liebe, so bist du ein armer Wicht.« Eigentlich hatte der Spruch keine Bedeutung mehr für sie. Sie war kein ungeliebtes, böses Kind mehr. Und den alten Zettel brauchte sie auch nicht mehr. Sie besaß ihre eigenen Gedichte! Ihr glückseliges Lachen mischte sich mit den letzten Zeilen des Chorgesangs.
    Mit beiden Händen zerriss Wera das Papier und warf die Fetzen in die Luft. Sollte der Wind doch damit machen, was er wollte!

TEIL II
    Aus deinen blauen Augen strahlt’s
    Wie Himmelsglanz ins Herze mir –
    Sie leuchten wie der Mondenschein
    In blauem Silberlichte schier!
     
    Wenn unaussprechlich liebevoll
    Auf mich senkt dein milder Blick,
    dann quillt aus tiefster Seele mir
    des Liedes zaub’rische Musik.
    Aus: »Liederblüthen«, Gedichte von
Wera, Herzogin von Württemberg

18. KAPITEL
    Stuttgart, 29 . Juni 1871
    D er blaue Kleiderstoff floss wie ein kühlender Wasserfall über Weras Hand. Der Rockteil wurde von gelben Satinbändern verziert, die in einem fröhlichen Schleifenmuster auf die unzähligen Stoffbahnen genäht worden waren. Was für ein schönes Kleid! Einer schlanken, hübschen jungen Dame würde es gewiss ausgezeichnet stehen.
    »Nachtblau ist eine ganz besondere Farbe, sie würde vortrefflich zu den blonden Haaren Ihrer Hoheit passen.«
    Zuvorkommend machte Madame Chevalier einen Schritt zur Seite, damit sich Wera mit vorgehaltenem Kleid im Spiegel

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