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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Onkel, der Kaiser?« Ollys entsetzter Blick wanderte zwischen den Zuckerfiguren und der Schneiderin hin und her.
    »Wundert dich das?«, sagte Wera. »An Bismarck ist schließlich wesentlich mehr dran als am Kaiser.« Sie fuhr mit ihrer rechten Handgroßflächig über ihren Bauch, um Bismarcks Fülle nachzuzeichnen, dann brach sie ein Stück Zuckermasse ab und reichte sie Olly, die zögernd zurückwich.
    »Bismarcks Kopf, den wolltest du doch schon immer gern haben. Hier hast du ihn. Ich nehme dafür ein Stück seines Arms. Mmh, einfach köstlich!« Fröhlich kauend verschwand Wera im Nebenzimmer.
    »Das wäre geschafft! Höchste Zeit, dass wir nach Hause kommen, sonst wird es nichts mehr mit meiner aufwendigen Hochsteckfrisur«, sagte Olly, als sie kurze Zeit später in der Kutsche saßen. Um auf den belebten Straßen unerkannt zu bleiben, hatte die Königin anstelle ihrer Prunkkutsche einen unauffälligen Wagen gewählt. Geschickt fuhr der Kutscher nun durch Seitenstraßen, um den Menschenmassen zu entgehen, die sich rund um den Schlossplatz versammelt hatten.
    Schweigsam schaute Wera aus dem Fenster. Ob sich da draußen, unter den Tausenden von Männern, auch ihr zukünftiger Mann befand? Falls ja, wie um alles in der Welt sollte sie ihn finden? War das nicht wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen?
    Unsicher schaute sie auf das waldgrüne Kleid, das in Seidenpapier verpackt schwer und warm quer über ihrem Schoß lag. »Ob das Kleid wirklich das Richtige ist?«
    Olly zuckte mit den Schultern. »Es ist in Ordnung.«
    »Nur in Ordnung , mehr nicht? Warum hast du mich nicht besser beraten?«, entsetzte sich Wera.
    »Aber du warst es doch, die keine Lust mehr hatte, noch weitere Roben anzuprobieren«, sagte Olly konsterniert.
    »Ja schon, aber dass ich beim großen Ball für die Heimkehrer ein gutes Bild abgebe, ist immens wichtig. Immerhin ist das heute so etwas wie meine inoffizielle Einführung in die Gesellschaft!«
    »Du bist eine russische Großfürstin und mein Patenkind, du bist etwas ganz Besonderes. Die Leute sehen dich in deinem schlichten grünen Kleid und halten es für die neueste Mode. Und auf den nächsten Bällen werden dir solche Kleider überall begegnen.«
    »Soetwas wäre vielleicht bei dir der Fall, aber doch nicht bei mir. Ach Olly, wem willst du etwas vormachen?« Wera konnte nichts gegen den bitteren Unterton in ihrer Stimme tun. »Ein Titel allein macht noch keine Braut. Schau mich an, dann weißt du, wie es um mich steht: Fast alle Mädchen aus meinem Tanzunterricht haben schon einen Verehrer, um Sophie Taubenheim reißen sich sogar gleich drei junge Herren! Ständig gibt sie damit an. Gemein ist das! Sie weiß doch ganz genau, dass an meiner Tür noch kein Einziger angeklopft hat: Kein Prinz, kein Landgraf, nicht einmal ein ältlicher Baron hat sich in mich verguckt. Und aus Russland sind auch noch keine Anfragen gekommen. Manchmal möchte ich wirklich wissen, ob man an den Höfen Europas überhaupt von meiner Existenz weiß. Was ist, warum sagst du nichts?«, fuhr sie Olly wütend an.
    »Wenn du wüsstest, wie mir dieses Thema zuwider ist«, seufzte Olly. »Dieses elende Heiratstheater, wo sie dich wie eine Kuh auf dem Viehmarkt anbieten – schrecklich ist das. Glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche. Wie haben sie mich zu Hause gedrängt und getriezt …«
    »Drängen und Triezen? Ich bin noch nicht einmal auf dem Heiratsmarkt angekommen ! Dabei bin ich schon siebzehn Jahre alt, ein Alter, in dem meine Schwester Olgata seit über einem Jahr verheiratet war. Wenn ich sehe, wie liebevoll sie mit dem dreijährigen Konstantin und dem kleinen Georgios umgeht, werde ich ganz neidisch. Ich will auch Kinder! Säuglinge, die feine goldene Härchen auf dem Kopf haben und einen anlächeln, wenn man sie auf den Arm nimmt. Aber ohne Ehemann keine Kinder – so einfach ist das. Verflixt, ich weiß noch nicht einmal, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein.«
    Kopfschüttelnd schaute Olly Wera an.
    »Wie du über solche Dinge redest … Wenn ich daran denke, wie verschwiegen meine Schwestern und ich einst waren! Nie hätten wir unsere Gefühle den Erwachsenen gegenüber in dieser Art offenbart. Nicht einmal untereinander waren wir so ehrlich.«
    »Soll ich den Kopf in den Sand stecken und so tun, als wäre ich zufrieden?Ich will nicht als alte Jungfer enden, ich will die Liebe erleben, und das so bald wie möglich.« Auf einmal war Wera den Tränen nahe. Sie spürte Ollys Hand auf

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