Die russische Herzogin
gehofft, ihre Beziehung zu Iwan aufrechterhalten zu können – als Freunde, als Geliebte …
»Ich gehe zurück in den Kaukasus, Olly.«
»Du gehst … was? Aber warum?«
»Der Krieg ist noch lange nicht geschlagen, gerade in letzter Zeit rebellieren wieder die Tscherkessen und Abchasen. Man kann nicht einfach ein Volk zwangsumsiedeln und erwarten, dass es dies ohne Murren hinnimmt. Im Kaukasus geschehen unschöne Dinge. Dinge, von denen du nichts wissen willst, glaub mir. Erst letzte Wochebat mich dein Bruder zu einer vertraulichen Unterredung. Es gibt nun einmal kaum jemanden, der sich in dieser Ecke so gut auskennt wie ich.« Sein Schulterzucken hatte etwas Schicksalsergebenes.
»Aber … ich dachte, Sascha habe längst einen anderen russischen Statthalter berufen. Wenn du willst, rede ich mit ihm, gleich nachher! Iwan, sag, dass du nur einen dummen Scherz gemacht hast, bitte. Dieser schreckliche Krieg! Sollen doch andere kämpfen und ihr Leben riskieren. Warum ausgerechnet du?«
»Weil auch ich zum Dienen geboren worden bin, genau wie du. Auch ich habe Pflichten. Ich gebe zu, eine Zeitlang war ich bereit, diese hintanzustellen. Für unser gemeinsames Glück. Doch das war nur eine Illusion.« Mit einem traurigen Lächeln nahm er ihre Hand.
»Spätestens heute ist mir etwas klargeworden: Nie und nimmer möchte ich dafür verantwortlich sein, dass Württemberg seine großartige Königin verliert. Dieses Land braucht dich, umso mehr, weil sein König …« Er winkte verächtlich ab. »Ohne dich wäre Karl ein Niemand, nur mit dir an seiner Seite hat er eine Chance, das Land zu regieren. Deshalb muss ich gehen, Olly. Ich muss so viele Meilen zwischen uns bringen wie nur möglich. Und niemand wird mich daran hindern.«
Was sollte sie darauf antworten? Dass sie im Stillen wusste, wie recht er hatte? Dass er nur Dinge aussprach, die sie schon tausendmal selbst gedacht hatte, in der schwindenden Hoffnung, Gegenargumente für jeden Punkt zu finden?
»Ach Iwan«, murmelte sie.
»Aber eines sage ich dir …« Seine Stimme klang so düster und bedrohlich, dass sie stirnrunzelnd aufschaute.
»Wenn dein Karl nicht zu schätzen weiß, was er an dir hat, wenn er dich nicht ehrt und achtet, wie es dir gebührt, dann brech ich ihm alle Knochen!«
Und sie umarmten sich und küssten sich, sie lachten und weinten.
»WilysBoot ist wirklich großartig. Und der Bodensee ist auch wundervoll, Wily sagt, er wird ›Schwäbisches Meer‹ genannt, stimmt das?«
Geistesabwesend nickte Olly, dann strich sie mit der rechten Hand über den schweren Stoff ihrer silbernen Robe. Für den heutigen Abend war ein großes Festdiner vorgesehen, außerdem hatte Karl gesagt, er habe noch »die eine oder andere Überraschung« für sie vorbereitet.
Und wenn schon, dachte Olly traurig, irgendwie war ihr alles egal …
Sie hielt Wera, die ihrer Puppe gerade mit Ollys goldener Bürste die Haare kämmte, zwei unterschiedliche Ohrgehänge hin.
»Was meinst du? Die Saphire oder der Onyxschmuck?«
»Natürlich die blauen Steine«, sagte Wera prompt. »Oder willst du ausgerechnet heute Trauerschmuck tragen?«
Olly verspürte einen kleinen Stich in ihrer Brust.
»Die Saphire also. Dieses Armband hier ist übrigens von meiner Schwester Adini. Sie schenkte es mir kurz vor ihrem Tod und meinte, so hätte ich immer ein Stück vom Himmel bei mir …« Der Anblick des Armbands machte Olly plötzlich seelenwund. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal an Adini gedacht? Was war sie nur für ein schrecklicher Mensch, zuzulassen, dass die geliebten Verstorbenen vor ihrem inneren Auge verblassten? Ihre Schwester Adini, ihr Vater, ihre Jugendfreundin Maria Bariatinski …
Mit einem leisen Klicken schloss sie das Saphirarmband um ihr Handgelenk.
»… und dann habe ich meine Schwester gefragt, welche Steckenpferde sie denn habe. Es heißt doch immer, ich solle höfliche Konversation betreiben, nichts anderes habe ich getan. Aber du hättest mal ihren entgeisterten Blick sehen sollen! Für solch kindische Dinge habe sie keine Zeit, erklärte sie mir. Was am Wandern und am Segeln kindisch wäre, wollte ich von ihr wissen. Darauf wusste Olgata auch keine Antwort! Wily hat später zu mir gesagt, Olgata sei zwar sehr hübsch, aber auch sehr langweilig«, endete Wera voller Genugtuung.
»Dasist ja interessant«, murmelte Olly und begann, Nadeln aus ihrer Hochsteckfrisur zu ziehen. Sofort prickelte ihre Kopfhaut angenehm. Mit einem wohligen Seufzer warf
Weitere Kostenlose Bücher