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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie ihre langen Haare über den Rücken. Bis die Zofe ihr eine kunstvolle Abendfrisur steckte, blieb ihr noch ein bisschen Zeit.
    »Und dann – Tante Olly, du hörst mir ja gar nicht zu!« Mit einem Handstreich fegte Wera die ausgebreiteten Schmuckstücke vom Frisiertisch.
    »Bist du wahnsinnig?« Olly bückte sich, die langen Haare fielen ihr vors Gesicht, blind tastete sie nach Ohrgehängen, Ketten und Broschen. »Könntest du mir wenigstens helfen?«
    »Tut mir leid, ich … es ist einfach über mich gekommen«, sagte Wera, als alles wieder wohlbehalten auf der Marmorplatte des Frisiertisches lag. »Ich war nur so wütend wegen Olgata und ihrem damenhaften Getue. So wie sie möchte ich nie werden, lieber bleibe ich ein Leben lang eine alte Jungfer!«
    »Wie kommst du in deinem jungen Alter denn auf so was?«, fragte Olly lachend.
    »Durch Wily«, erwiderte Wera ungerührt. »Er meinte, hübsch sei ich nicht und besonders klug anscheinend auch nicht, sonst würden sich meine Lehrer nicht ständig über mich beschweren. Woher weiß er das, lässt er mich bespitzeln? Und dass ich es einmal schwer haben würde, einen Mann zu bezirzen. Als ob ich das wollte, pah! Ich habe doch meinen Eugen.« Wera gab ihrer Puppe einen stürmischen Kuss, dann zeigte sie auf einen tropfenförmigen Ring.
    »Dieser Rubin ist wunderschön. Rot ist die Farbe der Liebe, nicht wahr?«
    »Der Rubin selbst gilt als Symbol der Liebe«, entgegnete Olly lächelnd. Vielleicht sollte sie ihn heute tragen? Trotz allem?
    »Die Liebe, das ist doch auch nur eine Erfindung der Erwachsenen«, entgegnete Wera verächtlich. »Wer weiß, ob es sie überhaupt gibt. Was, wenn sie einem nie begegnet?«
    Ollys Brauen hoben sich deutlich sichtbar. Fühlte sich Wera noch immer ungeliebt? Oder war Wilys wenig feinfühlige Bemerkung verantwortlichfür diesen Ausbruch? Einen Moment lang zögerte sie, ob sie die kindlichen Worte nicht einfach wegwischen sollte, wie Wera es gerade mit den Schmuckstücken getan hatte. Dann nahm sie den Rubin und hielt ihn ins Licht. Rotgoldene Prismen tanzten durch den Raum.
    »Ich kann mich gut an einen Tag vor langer, langer Zeit erinnern. Damals saßen meine Hofdame Anna Okulow und ich über meine Mineraliensammlung gebeugt, ähnlich wie du und ich über diesen Schmuckstücken hier. Anna wollte von mir wissen, welcher Stein der teuerste und somit der wertvollste sei. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass der Wert eines jeden Steines anders zu bemessen ist, dass es um die Verschiedenheit der Steine geht und darum, dass jeder seinen Platz auf Gottes Erde hat. Dass es auch um die Sinnhaftigkeit geht und man nicht nur nach dem Äußeren urteilen darf. Es gibt viele Edelsteine, die erst auf den zweiten Blick schön sind. Man muss sich Zeit für sie nehmen, sich in sie vertiefen. Dann habe ich meiner Hofdame noch vorgeworfen, dass sie nur den oberflächlichen schönen Schein zu schätzen wisse. Ausgerechnet Anna, die es wie keine andere verstanden hat, Menschen in ihre Seele zu schauen.« Olly lachte, machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nun ja, ich war jung und dumm. Seltsam, dass ich ausgerechnet heute ständig ans Gestern denken muss.« Sie wollte die Schmuckstücke forträumen, doch als sie sah, wie angestrengt und interessiert Wera ihr zugehört hatte, sprach sie weiter.
    »Erst viel später habe ich verstanden, was Anna mir mit ihren Fragen hat sagen wollen. Denn in Wahrheit haben wir gar nicht über Edelsteine gesprochen, sondern über die Verschiedenartigkeit von uns Menschen. Nicht jeder Mensch glänzt beim ersten Hinsehen, bei manchen muss man einen zweiten und dritten Blick wagen, um seine Schönheit zu erkennen. Wily ist ein dummer Kerl, wenn er behauptet, du seist hässlich. Wunderschön bist du, ehrlich und aufrecht und mutig –«
    »Du brauchst mir nicht gut zureden, ich bin nicht traurig wegen Wilys Worten«, unterbrach Wera sie grinsend. »Deine Anna scheint eine kluge Frau gewesen zu sein. Mit Madame Trupow könnteich ein solches Gespräch nie führen.« Mit schräggelegtem Kopf schaute sie Olly an. »Aber was ist denn nun mit der Liebe? Hat dir deine Anna dazu auch einen guten Rat mit auf den Weg gegeben?«
    »Und ob! Aber den wollte ich nicht hören.« Olly lächelte wehmütig.
    »Tante Olly, warum siehst du so traurig aus? Bin ich schuld daran?«
    Olly schaute ihre Nichte liebevoll an.
    »Ich bin höchstens ein bisschen melancholisch. Oh, es hat tatsächlich Zeiten in meinem Leben gegeben, zu denen ich so

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