Die russische Herzogin
nach die schönste der Tänzerinnen und sich dessen durchaus bewusst. Auch prahlte sie regelmäßig vor ihren Kolleginnen ungeniert mit ihrer Freundschaft zum Herzog von Württemberg. Wehe, jemand bewunderte die kleinen und größeren Geschenke, die sie von ihm bekam, nicht zur Genüge! Dann konnte Etty schnell ungehalten werden, wie sie es auch immer dann wurde, wenn ihr nicht genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Kurz gesagt: Eugens Herzensdame war eine Primadonna, wiesie im Buche stand. Und – das war das Schlimmste von allem – sie rechnete sich in Bälde eine Hochzeit mit dem Herzog aus.
Dies alles war nicht gerade das, was Wera hatte hören wollen.
»Diese verflixten Mannsbilder!«, sagte Margitta nun und schenkte in beide Gläser Likör nach. »Bei mir war es doch keinen Deut anders. Hätte ich dem Weib, das es auf meinen Josef abgesehen hatte, nicht Bescheid gesagt, hätte der mich längst abgeschrieben. So aber …« Sie grinste Wera über den Rand ihres Likörglases an. »Er will nächsten Sonntag mit mir am Neckar spazieren gehen.«
»Das gibt’s doch nicht!«, sagte Wera ehrlich überrascht. Einen Moment lang war das eigene Unglück vergessen.
»Wie hast du dieses Kunststück hinbekommen?«
Dass Margitta ein ähnliches Schicksal wie sie erleiden musste, hatte ihre Freundschaft nur noch weiter vertieft. Im Fall der Näherin war die Widersacherin allerdings keine Tänzerin, sondern die pausbackige Tochter vom Schlachter Huber. Und Josef war kein Herzog, sondern der Schlachtergeselle, der regelmäßig die Fleischlieferungen ins Schloss brachte. Margitta hatte ihn kennengelernt, als sie sich wieder einmal aus der Wäschekammer fortgeschlichen und in der Nähe des Dienstboteneingangs herumgelungert hatte. Der junge Mann war recht schnell von ihren Reizen entzückt gewesen, umgekehrt galt das Gleiche. Ein paar heimliche Treffen, über die Margitta sich nicht weiter auslassen wollte, waren gefolgt. Doch dann hatte sich der junge Geselle zurückgezogen. Als Margitta den Grund dafür herausfand, war sie kreuzunglücklich gewesen.
»Was soll ich gegen die Schlachtertochter ausrichten? Wenn er sie heiratet, bekommt er den Schlachthof gleich mit dazu«, hatte sie sich bei Wera ausgeweint. Beide hatten sie festgestellt, dass ihre Schicksale sich sehr ähnlich waren und dann doch wieder ganz anders.
Eines sah Margitta jedoch genau wie ihre Freundin: So schnell wollte sie nicht aufgeben, vielmehr wollte sie wie Wera um ihr Glück kämpfen.
Margittalächelte grimmig und triumphierend zugleich. »Ich habe dem Luder ordentlich die Meinung gesagt! Nur weil ihrem Alten die Schlachterei gehört, brauche sie sich nichts einbilden, hab ich zu ihr gesagt.«
»Und das hat gereicht?« Wera schaute ihre Freundin mehr als skeptisch an. Sie fand das Argument absolut nicht überzeugend.
Margitta zuckte mit den Schultern. »Na ja, ich hab ihr dann noch gesagt, dass ich eine enge Freundin des Hofes sei und dafür sorgen könne, dass aus ihrer Schlachterei kein Fitzelchen Fleisch mehr bestellt werden würde.«
»Aber … das stimmt doch nicht, wie kannst du –«
»Und als das auch nichts half …« Bedächtig rollte Margitta die Ärmel ihrer Bluse hoch und entblößte ein paar blaue Blutergüsse. »Das Weib ist einen guten Kopf größer als ich und hat Arme, so fett wie Würste, aber das hat mich nicht abgeschreckt. Der habe ich’s ordentlich gegeben! Am Ende hat sie geheult wie eine Memme.«
»Du hast dich mit der Frau geprügelt?« Inzwischen wusste Wera nicht mehr, was sie denken sollte. Dass Margitta mit allen Mitteln kämpfte, fand sie einerseits bewundernswert, gleichzeitig jedoch auch erschreckend.
»Na und?« Margitta grinste. »Es hat geholfen, das ist doch die Hauptsache!«
Am nächsten Tag machte Wera sich auf den Weg ins Theater.
» Was wollen Sie von mir?« Belustigt schaute die Tänzerin, die an einer Ballettstange Übungen machte, Wera an. »Ich soll Herzog Eugen in Ruhe lassen?«
Wera, die ihre Handtasche wie einen Schutzschild vor sich hielt, nickte trotzig. Ihr Nicken wurde von der mit schmalen Spiegelstreifen verkleideten Wand des Übungssaals wie in einem Kuriositätenkabinett hundertfach wiedergegeben.
Etelda de Boer hob ihr rechtes Bein auf die Stange, dann lehnte sie ihren Oberkörper so weit nach vorn, bis ihr Kinn ihr Knie berührte. Weras Blick im Spiegel suchend, sagte sie: »Das ist das Lustigste,was ich seit langem gehört habe.« Mit einer Geste, die Wera anzüglich
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