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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Das Leben hatte so viel mehr zu bieten als einen launenhaften, dicklichen Ehemann!
    Auch Wera war bestens gestimmt. Denn natürlich war auch Eugen zu dem großen Fest eingeladen worden, und besser noch, sie waren sogar gemeinsam nach Friedrichshafen angereist. Mit einiger Überredungskunst hatte Wera es so einrichten können, dass Eugen und sie in einer Kutsche direkt hinter dem Königspaar in die Stadt und weiter zum Schloss fuhren. Eugen und sie in einer Kutsche gemeinsam dem Volk huldvoll zuwinkend – diese schöne Vorstellung hatte Wera nächtelang nicht schlafen lassen.
    Dass die Realität noch schöner war als ihre Tagträume, damit hatte sie allerdings nicht gerechnet. Die Straßen waren gesäumt von Abertausenden von Menschen, die ihnen zuwinkten, Fahnen oder Blumensträuße schwenkten. An fast jeder Straßenkreuzung hatte sich ein Musikerzug aufgestellt, Fanfarenklänge ertönten ebenso wie Marschmusik, einmal musizierte sogar ein Streichquartett zu ihren Ehren. Die Sonne schien von einem enzianblauen Himmel, enthusiastisch winkten die seit Stunden geduldig wartenden Menschen der königlichen Karawane zu. Immer wieder ertönten »Olga!«- und »Karl«-Rufe, doch auch vereinzelte »Wera«-Rufe warenzu hören, viele der Umstehenden zeigten sogar mehr oder weniger unverhohlen auf Eugen und sie. Was sie dabei sprachen, konnte Wera nicht wissen, aber es war offensichtlich, dass die Leute sie sehr mochten.
    »Du kommst gut beim Volk an«, sagte Eugen, als sie an einer Gruppe junger Mädchen in Tracht vorbeifuhren, die allesamt und besonders laut »Wera!« riefen. In seinem Blick auf Wera lag eine Art von Bewunderung, die er ihr gegenüber so noch nie an den Tag gelegt hatte.
    »Du aber auch«, konterte Wera frohlockend.
    Eugen nickte selbstbewusst. »Wahrscheinlich halten sie mich für deinen Verlobten. Ehrlich gesagt, so etwas habe ich noch nie erlebt!« Seine rechte Hand machte eine weit ausholende Bewegung, mit der er die fröhliche Menge, die geschmückten Häuser, die Musiker und alles andere einschloss. »Wenn unser Ulanenregiment eine Stadt durchschreitet, dann jubeln die Leute uns auch zu. Sie zeigen auf unsere prächtigen Uniformen und bewundern unsere Pferde. Aber dies hier ist ganz anders, es ist einfach königlich …« Er setzte sich noch aufrechter hin und reckte sein Kinn ein Stück höher.
    Wera grinste zufrieden in sich hinein. War dies etwa doch besser, als in staubigen Künstlergarderoben im Theater die Zeit totzuschlagen?
    Abend für Abend fanden rauschende Bälle statt. Wera, eine exzellente – und robuste – Tänzerin, die es auch nicht übelnahm, wenn ihr jeweiliger Partner einen ungeschickten Schritt machte, war bei den jungen Herren sehr gefragt. Sie verließ die Tanzfläche nur, um kurz Luft zu schnappen oder eine Kleinigkeit zu essen. Nach ihrer ersten und bisher einzigen Ohnmacht hatte sie sich vorgenommen, das Essen nicht mehr auszulassen.
    Auch Eugen und Wily waren unermüdliche Tänzer, und so ergab es sich ganz selbstverständlich, dass beide Wera des Öfteren aufforderten. Während sie die Tänze mit Wily als Pflicht absolvierte, waren die Minuten in Eugens Armen jedes Mal wie ein Traum für sie.
    »DieSchönste ist sie nicht, aber dafür ist sie fast immer gut gelaunt. Schau nur, wie sie lacht«, sagte Wily eines Abends zu seinem Freund, als Wera in einem weiß-rot gestreiften, weit schwingenden Kleid an ihnen vorbeiwirbelte. Beide Männer standen zigarettenrauchend am Rand der Tanzfläche.
    »Und dann die Art, wie sie sich immer mit Schmuck behängt …« Wily schüttelte wohlwollend den Kopf. »Ich bezweifle, dass dies en mode ist, aber Wera hat unbestritten ihren eigenen Stil.«
    Eugen schaute seinen Freund amüsiert an. »Wirst du jetzt etwa zum Modekritiker?«
    »Altes Lästermaul!« Wily versetzte Eugen einen Rippenstoß. »Ich kann einfach die unglaubliche Verwandlung, die Wera durchschritten hat, immer noch nicht glauben. Was war sie für ein schreckliches Kind! Dass aus ihr einmal eine ganz besondere Dame wird, hätte ich nie für möglich gehalten.«
    »Weißt du, dass es im Französischen einen Ausdruck für Damen wie Wera gibt?«, bemerkte Eugen, der Wera ebenfalls mit seinen Augen verfolgte. »Man nennt sie une belle laide, also eine schöne Hässliche.«
    Wily zog gedankenverloren an seiner Zigarette. »Ein seltsamer Begriff, und sehr typisch für die Franzosen. Aber auch sehr passend. Und jetzt lass uns etwas essen gehen, ich bin schon halb

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