Die russische Herzogin
ärgerlich.
»Die Frage lautet viel eher – was können wir tun?«, sagte Karl. »Natürlich werden wir die Sicherheitsmaßnahmen verstärken, Olly und du, ihr werdet keinen Schritt mehr ohne Leibwächter machen, schließlich seid ihr die einzigen Romanows hier am Hof …«
Olly winkte gereizt ab. »Als ob es den Attentätern um Wera und mich geht. Sie haben vielmehr Sascha im Visier, er ist es, um den ich mich sorge. Wie viele Attentate hat es auf ihn schon gegeben? Bisher ist es seiner Leibgarde stets gelungen, ihn aus dem Schussfeld zu bringen, aber es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis die Mörder ihn kriegen.« Ollys Schultern versteiften sich schmerzhaft, wie so oft seit der Ankunft des Briefes.
Das hatte Sascha weiß Gott nicht verdient. War er nicht der beste Zar, den Russland je erleben durfte? Hatte er nicht schon vor Jahren den Abermillionen von Leibeigenen ihre Freiheit geschenkt? Bemühte er sich nicht in jedem Bereich um Reformen, die mehr Gerechtigkeit und Frieden bringen sollten?
»Ich finde auch, dass wir uns nicht verrückt machen sollten«, sagte Wera tapfer, doch ihre Worte standen in Kontrast zu dem Unbehagen, das in ihrer Stimme zu hören war. »Aber was ist mit meinen Eltern? Und mit meiner Schwester? Und ihren Kindern, um Himmels willen! Ob sie in Griechenland auch gefährdet sind? Wer hat überhaupt noch einen Schmähbrief bekommen?«
»Meines Wissens ging ein solcher Brief an jedes Mitglied der Zarenfamilie«, sagte Karl bedrückt.
Olly schwieg, während die anderen heftig über mögliche Schutz- und Verhaltensweisen debattierten. Und wenn sie noch so tief in sich hineinhörte, Angst hatte sie nicht. Vor dem Tod nicht und vor keinem noch so gemeinen Attentäter. Es war weder ein besonderes Maßan Mut noch an Tapferkeit, welches Olly zu dieser inneren Einstellung verhalf. Vielmehr dachte sie: Wenn es an der Zeit war, würde sie sterben. Gott würde sie zu sich holen, wenn Er es für richtig hielt. Da gab es kein Vertun. Was ihr dagegen wirklich Sorgen bereitete, waren ihre Liebsten in Russland, die der Gefahr eines Attentats viel unmittelbarer ausgesetzt waren als sie im beschaulichen Stuttgart. Wobei sie die eventuelle Gefahr auch hier nicht ganz außer Acht lassen durfte. Der Gedanke, dass Wera etwas geschehen konnte, weil sie den Brief nicht ernst genommen hatten, war unerträglich. Wenn es überhaupt jemanden zu schützen galt, dann ihre Tochter.
Erneut glitt Ollys Blick hinüber zu Herzog Eugen, der sich im Gegensatz zu Wily, Cäsar von Beroldingen und den anderen anwesenden Männern immer noch nicht am Gespräch beteiligte. Bestimmt war er in Gedanken wieder einmal bei seiner Tänzerin. Olly fand die andauernde Affäre des Herzogs unmöglich. Der Mann war arrogant und dumm zugleich, anders konnte man sich sein Verhalten nicht erklären. Dennoch tat es ihr auf eine unerklärliche Art leid, dass aus Wera und ihm nichts geworden war. Olly, die den Großteil des Sommers am Bodensee verbracht hatte, konnte nicht einmal sagen, wann genau Weras Verliebtheit nachgelassen hatte und ob es einen speziellen Grund dafür gab. Hatten die beiden sich ausgesprochen? Oder hatte Wera den Herzog und sein Liebchen in der Stadt gesehen? So etwas tat weh, das wusste Olly nur zu gut. Irgendwann hatte Wera jedenfalls aufgehört, von Eugen zu schwärmen. Und Bitten, Olly möge den Herzog zu diesem oder jenem Fest einladen und an Weras Tisch platzieren, hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Von einem anderen Mann, der Wera gefallen könnte, war jedoch auch nicht die Rede. Und wenn man von Katharinas Bemühungen, Wily und Wera zusammenzubringen, absah, hatte es bisher keine Verkupplungsversuche gegeben, von ernsthaften Heiratsanträgen oder aufdringlichen Verehrern ganz zu schweigen.
Der Gedanke, dass Wera das Schicksal einer alten Jungfer drohen könnte, sorgte Olly fast genauso sehr wie der gemeine Drohbrief.Falls es dazu kam, trug daran einzig Herzog Eugen die Schuld. Hätte er Wera nicht verschmäht …
Eugen, der Ollys Blick auf sich ruhen spürte, lächelte ihr dünn zu. Nach kurzem Räuspern sagte er:
»Keiner von uns kann letztlich die Gefahr einschätzen, in der sich unsere Königin und Wera befinden. Ich plädiere daher für den bestmöglichen Personenschutz, den unsere Garde zu bieten hat. Wenn es sein muss, biete ich sogar selbst meine Dienste an.« Er schaute Wera eindringlich an. »Eines steht fest: Solange ich in deiner Nähe bin, wird dir nichts passieren.«
*
Herzog
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