Die russische Herzogin
angekommen waren, habe ich ihn seinem Kindermädchen übergeben. Ich hab mich ins Schlafzimmer eingesperrt, wollte niemanden sehen. Die ganze Nacht habe ich darauf gewartet, dass er auftaucht. Aber er kam nicht, stattdessen hat er mir am nächsten Morgen das hier geschickt!« Wütend knallte Wera Eugens Depesche auf den Tisch.
Margitta hob den Bogen Papier auf und las ihn mit zusammengekniffenen Lippen.
»Er bittet dich um Verzeihung, aha. Und er schreibt, du hättest die Situation völlig falsch gedeutet. Und am Ende sendet er dir und Klein-Egi tausend Küsse. Davon kannst du dir was kaufen!«
Wera zuckte mit den Schultern. Eigentlich war sie nach Eugens Depesche wieder ein wenig versöhnlicher gestimmt gewesen. Doch nun, im Gespräch mit Margitta, stiegen erneut Wut und Verzweiflung in ihr hoch.
»Männer sind Schweine«, sagte Margitta voller Inbrunst. »Und je früher du das kapierst, desto besser ist es. Dein Eugen ist keinen Deut besser als die anderen!«
»Das stimmt nicht«, sagte Wera reflexartig und schenkte ihnen Kaffee ein.
Für einen langen Moment war außer dem Geklapper von Margittas Kuchengabel nichts zu hören. Nach nur wenigen Bissen war das erste Stück Käsesahnetorte verschwunden. Ohne zu fragen, nahm sich Margitta ein zweites Stück.
Wera, die selbst keinen Appetit hatte, beobachtete die Freundin stumm. Wie schmal und erschöpft sie aussah mit ihren dunklen Augenringen. Ihr nachlässig aufgesteckter Dutt erschien strähnig und matt. Ihr spitzer Bauch drückte fordernd durch den Schürzenstoff des Kleides, das aussah, als trüge sie es nicht erst seit gestern.
Nach dem zweiten Tortenstück schob Margitta ihren Teller von sich.
»Vielleicht hast du dich ja in der ganzen Aufregung getäuscht und das Schwanenweib war gar nicht diese blöde Etty?«
»Natürlich war sie es! Diese Frau hatte es doch schon immer auf meinenEugen abgesehen!«, stieß Wera hervor. »Wahrscheinlich verfolgt sie ihn, wo es nur geht. Oder hat er sie selbst zu seiner Feier eingeladen? Das … wäre ja noch schlimmer. Das Liebchen von früher darf mit ihm feiern, seine dumme Ehefrau hingegen wollte er nicht dabeihaben.« Sie weinte erneut los, dann ergriff sie Margittas Hände, drückte sie voller Verzweiflung.
»Was, wenn sich die beiden regelmäßig treffen? Womöglich hat das Miststück ihn schon wieder verhext und er steht in ihrem Bann, so wie früher?«
Margitta runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht … Ein Tanz im Kasino, das hört sich eigentlich ziemlich harmlos an. Außerdem – sein Dienst lässt ihm doch nicht mal die Zeit, am Wochenende zu dir nach Hause zu kommen. Wie sollte er sich da eine Geliebte halten?«
»Meinst du?«, fragte Wera hoffnungsvoll.
»Na ja, wenn man die Angelegenheit nüchtern betrachtet«, sagte Margitta. »Aber eins weiß ich trotzdem: Einem Mann darfst du nie über den Weg trauen.«
Bedrückt schaute Wera zu, wie ihre Freundin ein weiteres Stück Kuchen verschlang. Margittas harsche Worte schmerzten sie. Verwundert war sie darüber jedoch nicht. Margittas Ehemann Josef war ein Tunichtgut: Seine Anstellung beim königlichen Fleischlieferanten hatte er schon vor der Eheschließung verloren. Wera hatte sich auf Margittas Drängen hin beim König dafür eingesetzt, dass Josef eine Stellung bei Hofe angeboten wurde. Kurz darauf hatte er als Stallbursche im königlichen Marstall angefangen. Doch scheinbar besaß Josef ein großes Maul und war faul obendrein – jedenfalls hatte der Stallmeister ihn nach weniger als einem Monat wieder vor die Tür gesetzt. Seitdem schlug sich Margittas Ehemann mit Gelegenheitsarbeiten durch. Näheres wusste Wera nicht. Margitta selbst arbeitete wie eh und je in der Wäschekammer des Schlosses. Ihre Tochter wurde in dieser Zeit von einer Nachbarin beaufsichtigt.
»Mein Mann ist kein Lump«, erwiderte Wera bestimmt. »Es war einfach eine dumme Idee von mir, ihn zu überraschen.« Sie nestelte einenzweiten Bogen Papier aus ihrer Rocktasche. »Die Depesche hatte noch ein Postskriptum. Eugen schlägt mir darin eine Reise nach Schlesien vor, das würde er doch nicht tun, wenn er ein gemeiner Kerl wäre, oder?«
»Schlesien? Liegt dort nicht das Landgut seiner Familie?«
»In Bad Carlsruhe, ja. Eugen schreibt, dass es auch ein halbes Jahr nach dem Tod seines Vaters für ihn noch einiges zu regeln gäbe. Er bittet mich, ihn auf der Reise zu begleiten.« Wera verzog den Mund.
»Und was gefällt dir daran nicht? Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen,
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