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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Wilhelma machen. Wir werden spazieren gehen und ein Eis essen.«
    Die Hofdame schaute Wera skeptisch an. »Sind Sie sich sicher? Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … Wenn ich ehrlich bin, habe ich Ihre alte Lebenslust in letzter Zeit tatsächlich ein wenig vermisst. Allerdings nahm ich an, dass die Geburt Sie geschwächt hat. Und dass Sie sich aufgrund Ihres neuen … Zustandes schonen wollen.«
    Wera lachte auf. »Klein-Egis Geburt liegt doch schon ein halbes Jahr zurück. Und von meinem ›Zustand‹, wie Sie es nennen, merke ich auch noch nichts. Ich bin schwanger, aber nicht krank. Und deshalb gehen wir heute Abend außerdem noch in die Oper! Die Kritiker überschlagen sich mit ihrem Lob für ›Die Sichel‹ von Alfredo Catalani, da liegt es doch nahe, dass wir uns selbst ein Bild davon machen, nicht wahr?«
    Clothilde von Roeders Augen leuchteten. »Die Oper, wie schön. Was meinen Sie – ob es Ihrer Mutter wohl recht wäre, wenn wir in der Königsloge Platz nähmen? Dort ist es immer besonders angenehm.«
    Wera lachte. »Wo denn sonst? Fragen Sie bitte außerdem Evelyn von Massenbach, ob sie mitkommen möchte. Als ich sie letzte Woche sah, war sie von ihrer schweren Erkältung genesen. Und nun musssie sich die Zeit, in der die Königin verreist ist, auch irgendwie vertreiben. Champagner werden wir drei Damen trinken. Und sollte ein fliegender Händler mit Blumen vorbeischauen, werde ich zur Feier des Tages Rosen für uns kaufen. Von nun an werden wir es uns richtig schön machen.«
    Die nächsten Wochen vergingen in heiterer Betriebsamkeit. Stuttgart hatte im Herbst viel zu bieten: Außer etlichen Theater- und Ballettpremieren gab es zahlreiche private Soireen, Diners und Empfänge, dazu kamen die regionalen Wein- und Straßenfeste. So gern sich Wera in Hofkreisen bewegte, so gern mischte sie sich auch unter die einfachen Leute, trank mit ihnen ein Viertel Wein, genoss die Gesänge des Stuttgarter Männerchors und die Tanzaufführungen der Trachtengruppen, die eine erfolgreiche Weinlese feierten. Natürlich hätten all diese Feierlichkeiten zusammen mit Eugen noch viel mehr Spaß gemacht, aber an der Tatsache, dass er Soldat war, war nun einmal nicht zu rütteln.
    Allabendlich schrieb Wera ihrem Mann Briefe, in denen sie von ihren Erlebnissen erzählte, damit er auf diese Art daran teilhaben konnte. Oftmals fügte sie kleine Zeichnungen hinzu und immer sandte sie ihm tausend Küsse. Er antwortete ebenso fleißig, wenn auch nicht in derselben Ausführlichkeit.
    Geliebte Wera,
    leider wird es mir nicht möglich sein, zu meinem Geburtstag nach Stuttgart zu kommen. Nicht, dass mir das etwas ausmachen würde. »Ein Tag wie jeder andere«, sage ich immer. Unser General hat sehr kurzfristig ein Feldmanöver angesagt, welches …
    Stirnrunzelnd las Wera Eugens Depesche. Ganze drei Wochen hatte sie ihren Mann schon nicht mehr gesehen, und nun sollte sie auch noch bis Mitte Oktober auf ihn warten? Und sein Geburtstag würde unter den Tisch fallen? Das ging nun selbst für eine tapfere Soldatenfrau zu weit!
    »Wie heißt es so schön? Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt,muss der Berg eben zum Propheten gehen«, murmelte sie vor sich hin. Die nächsten Stunden verbrachte sie damit, einen Plan zu schmieden.
    Mit raschem Schritt ging Wera in die Küche ihres Appartements und betrachtete zufrieden den Picknickkorb, der zum Abtransport bereitstand. Er war gefüllt mit den allerfeinsten Köstlichkeiten, stundenlang hatte Wera mit ihrem Koch die Details besprochen. Eine Flasche besten Champagners würde das Festmahl krönen. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass weder Gläser noch Servietten fehlten, eilte sie in ihr Ankleidezimmer, wo sie sich im großen Standspiegel einer letzten kritischen Begutachtung unterzog.
    In einer halben Stunde würde ihr Kutscher kommen, um sie nach Ditzingen zu fahren. Zur Feier von Eugens Geburtstag wollte sie ihn mit einem Picknick überraschen. Klein-Egi kam ebenfalls mit, ihm hatte sie speziell zu diesem Anlass eine Ulanenuniform in Miniaturformat schneidern lassen. Ganz entzückend sah der Kleine darin aus! Und auch mit ihrem eigenen Aussehen war Wera ausnahmsweise einmal vollends zufrieden, denn vor ein paar Tagen war Margitta bei ihr gewesen und hatte ihr bei der Auswahl ihrer Garderobe geholfen.
    Mindestens einmal pro Woche kam die Freundin aus Kindertagen sie besuchen. Die Näherin schien die heimelige Atmosphäre, die Wera mit warmen Farben, wertvollen Materialien

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