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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hinunterbekommen.
    »Etwas zu essen wäre nicht schlecht«, sagte Margitta leise, als Wera nicht reagierte. Sie zeigte auf ihre Tochter, die sich auf dem Fußboden still mit einem Bilderbuch vergnügte. »Die Kleine hat bestimmt Hunger. Und der hier auch.« Noch während sie sprach, knöpfte sie ihre Bluse auf und begann den Säugling zu stillen.
    Peinlich berührt wandte sich Evelyn ab und klingelte nach Weras Dienstmädchen. Ihr Blick streifte die goldene Kaminuhr. Noch nicht einmal fünf Uhr am Nachmittag. Es würde noch Stunden dauern, bis sie guten Gewissens aufbrechen konnte.
    Wäre Wera katholischen oder evangelischen Glaubens, hätte man wenigstens zusammen die Messe besuchen können. Da die russisch-orthodoxe Kirche jedoch erst am sechsten Januar Weihnachten feierte, fiel auch diese Möglichkeit fort. Für die Russen war heute ein Tag wie jeder andere. Für Evelyn war jedoch nach wie vor Weihnachten. Ein Fest voller schöner Kindheitserinnerungen an festlich geschmückte Räume, die nach Tannengrün dufteten. An das gemeinsame Singen von Weihnachtliedern, so schön, dass man fast weinen musste. Und dann der Besuch der Kirche, wo das Jesuskind wie ein Engel in der Krippe lag …
    Wäre das Fest bloß schon vorbei, dachte Evelyn nervös.
    Wie jedes Jahr besuchte die Königin auch heute Waisenheime in der ganzen Stadt, um dort »Armenweihnacht« abzuhalten. Ein bisschen Normalität trotz aller Trauer – Evelyn bewunderte Olly dafür.Die armen Seelen würden es ihrer Königin bestimmt danken. Gleichzeitig jedoch fühlte sich Eve von ihrer Herrin im Stich gelassen. Olly wollte armen Seelen helfen? Das hätte sie auch hier tun können! Hier bei Wera, Margitta und ihr auf dem Sofa.
    Margitta hatte inzwischen ihren Sohn zu Ende gestillt. Sie hob ihn über die Schulter, wo er ein genussvolles Bäuerchen machte. Die junge Mutter schaute ihn verträumt an, dann schien ein Ruck durch sie zu gehen. Sie holte tief Luft, dann legte sie Wera den Jungen in den Arm.
    »Wenn du magst, kannst du ihn haben. Für ein paar Wochen. Oder für immer. Ich weiß, er ist nicht Klein-Egi, aber vielleicht hilft es dir …«
    Heftig fuhr Wera auf und drückte Margitta den Säugling wieder in den Arm.
    »Wie kannst du es wagen! Mein Sohn ist durch nichts und niemanden zu ersetzen. Was bist du nur für eine Mutter, dein eigenes Fleisch und Blut so einfach fortgeben zu wollen! Nimm deine Kinder und geh! Ich kann dich nicht mehr sehen, sonst wird mir übel.«
    »Du hättest Margitta und die Kinder nicht hinauswerfen dürfen, ausgerechnet am Heiligen Abend«, sagte Evelyn, kaum dass sie allein waren. »Bestimmt wartet zu Hause nur ein leerer Speiseschrank und ein angetrunkener Ehemann auf sie.«
    »Du verteidigst eine Mutter, die ihr Kind so mir nichts, dir nichts hergeben will?« Wera schaute sie aus glühenden Augen an. »Von mir aus soll sie den Abend mit ihrem Tunichtgut von Ehemann verbringen, mir kann so jemand gestohlen bleiben.«
    »Wie hart du bist. Und ungerecht. Woher willst du wissen, wie leicht oder schwer es deiner Freundin gefallen ist, dir ihren Sohn anzubieten? Margitta hat es gut gemeint, auf ihre etwas ungeschickte Art wollte sie dir das größte Geschenk machen, zu dem sie imstande ist. Und du stößt sie so vor den Kopf!«
    Wera winkte ab.
    Aus der Küche war das Klappern von Geschirr zu hören. Einmal fiel etwas Metallenes, wahrscheinlich ein Besteckteil, scheppernd zuBoden. Wassereimer wurden mit einem Schwapp ins Spülbecken geschüttet, jemand lachte. In Evelyns Ohren dröhnten diese Alltagsgeräusche fast unerträglich laut. Sie versuchte tief durchzuatmen. Es gelang ihr nicht. Die Luft in Weras Appartement war so sehr von Unglück und Gänsebraten geschwängert, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Noch eine Minute länger und sie würde ersticken!
    Abrupt sprang Evelyn auf und zog auch Wera vom Sofa hoch.
    »Los, wirf dir einen Mantel über. Wir brauchen beide dringend frische Luft!«
    Kurze Zeit später spazierten sie durch den Rosensteinpark. Das spärliche Licht der Laternen wurde vom jungfräulich weißen Schnee reflektiert, so dass sie keine Mühe hatten, ihren Weg zu finden. Kristallene weiße Flocken tanzten durch die Luft und verliehen dem Abend etwas wahrlich Heiliges, das Evelyn tief berührte. Stille Nacht, heilige Nacht. Die Natur – vielleicht die größte Kathedrale von allen.
    Fragend schaute sie zu Wera hinüber, die stumm neben ihr herstapfte. Ihre Gesichtszüge schienen sich ein wenig entspannt

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