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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dessen, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte. Ein Orkan, der sie zu zerreißen drohte.
    Niemand hatte etwas von dem zweiten Kind geahnt. Sie nicht und die schlauen Hebammen, die ihr ständig sagten, was sie alles falsch machte, auch nicht. Am Ende hatte sie es allein geschafft. Hatte geatmet, gepresst und gebetet.
    Voller Liebe schaute Wera ihren Mann an.
    »Sind wir nicht die glücklichsten Eltern der Welt?«
    Eugen nickte stumm. Einen Moment lang war nur das Atmen der Kinder zu hören – und dann Ollys Aufschluchzen.
    »Zwillinge! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es die bei den Romanows jemals gegeben hätte. Ein Gottesgeschenk gewiss, aber auch ein Gotteswunder. Wenn das deine Eltern erfahren …« Freudentränen rannen über ihre Wangen.
    Wera lächelte. Kurz nachdem die beiden Mädchen ihren ersten Schrei getan hatten, hatte sich der königliche Bote mit einer Depesche auf den Weg gen Russland gemacht, um die frohe Botschaft ins Zarenreich zu bringen. Zwillinge – das hatte bisher nicht einmal ihre Schwester Olgata geschafft.
    »Hast du schon eine Idee, wie du die beiden nennen möchtest?«, sagte Karl.
    Wera ignorierte die erwartungsvollen Blicke. Statt zu antworten, hauchte sie ihren Töchtern Küsse auf Stirn und Wangen.
    Schon bei der Geburt ihres Sohnes hatte es wegen des Namens heftige Diskussionen gegeben, scheinbar sahen es alle Älteren als naturgegebenesRecht an, im Namen eines Neugeborenen weiterexistieren zu dürfen. Von Nikolaus über Karl, von Konstantin bis Eugen war alles an Vorschlägen dabei gewesen. Eugen hatte dem Ganzen ein Ende bereitet, indem er Wera und das Königspaar darüber aufklärte, dass alle männlichen Stammhalter seines Adelshauses Eugen hießen und nicht anders. Am Ende hatten ihn alle Klein-Egi genannt.
    Das Mädchen in Weras linkem Arm öffnete kurz die Augen, schaute sich orientierungslos um. Dann blinzelte es und schloss die Augen mit einem leisen Seufzen wieder.
    Warum konnte man sie und ihre Kinder nicht einfach in Ruhe lassen?, dachte Wera in einem Anflug von Ärger. Namen waren nicht mehr als Schall und Rauch. Viel lieber wollte sie ihre hübschen Töchter eingehend betrachten. Wie konnten die anderen behaupten, dass die beiden gleich aussahen? Das Mädchen in ihrem rechten Arm hatte einen herzförmigen Haaransatz und einen kleinen Herzmund. Seine Schwester hatte zwar nur einen normal hübschen Mund, dafür aber Augen, so blau wie der Stuttgarter Himmel an schönen Sommertagen. Wera wusste sehr wohl, dass es hieß, alle Säuglinge hätten blaue Augen. Aber dieses Paar hier war blauer als blau, so viel stand fest.
    »Deine Maman würde sich bestimmt sehr freuen, wenn du ein Mädchen nach ihr benennst«, sagte Olly nun. »Du könntest ihren deutschen Namen Charlotte wählen oder ihren russischen, Alexandra.«
    »Schön und gut, aber dass ein Mädchen den Namen meiner Mutter Mathilde tragen wird, steht für mich fest«, sagte Eugen eilig.
    Wera schaute erst Olly, dann ihren Mann entrüstet an.
    »Gar nichts steht fest, nicht das Geringste! Vor wenigen Stunden wussten wir weder, welches Geschlecht unser Kind haben wird, noch, dass der liebe Gott uns gleich mit zweien beschenkt. Aber da ihr es nun einmal so eilig mit den Namen habt, will ich euch meine Ansichten dazu kundtun, falls die überhaupt jemanden interessieren. Immerhin bin ich ja nur die Mutter dieser beiden Schönheiten.«Sie warf ihren Kindern einen liebevollen Blick zu. Keine Sorge, ihr werdet schon die richtigen Namen bekommen. Ich passe schließlich gut auf euch auf. Heute und für alle Tage.
    Wera schaute in die Runde. »Nie gab es für mich den geringsten Zweifel, dass meine Tochter einmal den Namen meiner Mutter tragen soll. Eine Hommage an die Frau, der ich alles, mein ganzes Leben und Sein verdanke. Deshalb soll dieses Mädchen hier« – sie zeigte auf das Kind mit dem herzförmigen Mund – »Olga heißen.«
    Olly schluchzte vor Rührung auf.
    Eugen nickte. Gegen diese Namenswahl konnte er nur schwer etwas einwenden.
    »Und hast du auch schon eine Idee für unsere zweite Tochter?«, sagte er spröde.
    Wera nickte. »Dieses kleine Wesen hier« – sie zeigte auf die Kleine mit den himmelblauen Augen – »soll einen Namen bekommen, der unbelastet ist von jeglichen Bürden. Einen fröhlichen Namen, der schwäbisch klingt.« Fast triumphierend schaute Wera in die Runde. »Olgas Schwester soll … Elsa heißen.«

31. KAPITEL
    Stuttgart, am 20 . Januar 18 77
    Geliebter Eugen,
    ich

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