Die russische Herzogin
Satisfaktion, also soll er sie bekommen!« Entrüstet zog er seinen Uniformrock glatt. Den beiden Soldaten, die im Wärterhäuschen der Kaserne Dienst schoben, nickte er knapp zu. Gott sei Dank waren die beiden in ein Kartenspiel vertieft und fragten sich nicht, was zwei Offiziere in Ausgehuniform so früh am Morgen außerhalb der Kaserne zu schaffen hatten. Würde jemand von ihrem Vorhaben Wind bekommen, bedeutete das nur Ärger für sie. Das Duellieren unter Offizieren war nämlich seit knapp sechs Jahren offiziell im ganzen Kaiserreich verboten und wurde mit Festungshaft bestraft. Nicht, dass Eugen dies kümmerte. Wo kein Richter,da kein Kläger. Wenn alle Beteiligten des heutigen Morgens den Mund hielten, konnte ihnen nichts passieren.
Ein Duell. Und er, Herzog Eugen von Württemberg, war einer der beiden Duellanten. Wer hätte das gedacht. Eine solche Aufregung hätte es im heimeligen Stuttgart jedenfalls nie gegeben.
Dass Fuzzi, der mit richtigem Namen Friedrich von Feigenstein hieß und ebenfalls den Offiziersrang innehatte, ihn herausfordern würde, damit hatte er nicht im Traum gerechnet. Denn der Mann mit dem weibischen Lockenkopf und dem despektierlichen Spitznamen war nicht nur ein miserabler Schütze, sondern jemand, dem es an Tapferkeit fehlte – jedenfalls erzählte man sich das im Regiment. Eugen wusste nichts Genaues, war sich aber sicher, dass an den Gerüchten über Fuzzis mangelnden Mut etwas dran war. Warum sonst hatten die Soldaten wie auch die anderen Offiziere so wenig Respekt vor dem Mann? Die Herren von Feigenstein seien ein verarmtes sächsisches Geschlecht, ohne Rang und Namen, hieß es. Dass er mit dem Sachsen nicht warm werden würde, hatte Eugen bei seiner Willkommensfeier sofort erkannt. Dafür hatte er Fuzzis Frau, die schöne Selma, umso sympathischer gefunden …
Der zu sühnende Vorfall fand vor zwei Tagen statt, auf einem Fest, das ein ausscheidender Offizier ausgerichtet hatte und zu dem auch die Gattinnen der Herren eingeladen gewesen waren, so sie in der Nähe der Kaserne wohnten. Es war ein feuchtfröhliches Fest gewesen, der Rheinwein war in Strömen geflossen, und die Stimmung wurde von Stunde zu Stunde erhitzter. Eugen wusste schon gar nicht mehr genau, worüber er sich mit Fuzzis Frau unterhalten hatte. Selma, ein hübsches Ding mit braunen Locken und einem einnehmenden Lachen. Irgendwie hatte sie ihn an Etty, die schöne Tänzerin, erinnert. Das hatte er ihr gesagt und ihr ein paar harmlose Komplimente gemacht. Vielleicht hatte das eine oder andere ein wenig anzüglich geklungen, aber Eugen wusste aus Erfahrung, dass etliche Damen solche Zwischentöne durchaus gern hörten. Auch Selma schien sich bestens zu amüsieren, bei fast jeder seiner Bemerkungen warf sie den Kopf in den Nacken und lachte ihr einnehmendes Lachen – wenn sie nicht gerade ihrerseits eine mehrdeutigeBemerkung über die Lippen brachte. Ja, es hatte zwischen ihnen geknistert. Vielleicht hatte es auch ein, zwei Küsschen gegeben, Eugen konnte sich daran nicht mehr genau erinnern.
Fuzzi von Feigenstein hatte sich schrecklich aufgeführt, als er Eugen auf der Terrasse mit seiner Frau in einer Umarmung erwischte. Eugens Beteuerung, dass dies nur eine harmlose freundschaftliche Geste gewesen sei, hatte er weggewischt, Eugens Entschuldigung nicht hören wollen. Am nächsten Morgen stand ein Offizier vor Eugens Tür – Fuzzis Sekundant – und überbrachte ihm die Herausforderung. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, war Eugen zu Herbert gegangen und hatte seinen neuen Freund gefragt, ob er auf seine Anwesenheit zählen könne. Er konnte.
Eine Zeitlang marschierten die beiden Männer schweigend weiter. Inzwischen dämmerte es bereits, bis sie das Rheinufer erreicht haben würden, hatte sich hoffentlich auch noch der Nebel gelichtet.
Sie hatten die Kasernenmauern schon ein gutes Stück hinter sich gelassen, als Herbert von Lauenfels sagte: »Ein Duell ist kein Kinderspiel, Eugen. Eine kleine Tändelei, mehr war doch nicht zwischen dir und Fuzzis Frau. Er hätte deine Entschuldigung wirklich annehmen sollen, statt derart übertrieben zu reagieren. Ihr riskiert schließlich den eigenen Tod!«
Eugen lachte. »Glaubst du allen Ernstes, Fuzzis Pistole könnte mir gefährlich werden?«
Herbert von Lauenfels seufzte, doch dann stimmte er in Eugens Lachen ein. Obwohl sie beide noch nicht lange beim Regiment waren, hatten sie schon mitbekommen, dass Fuzzi ein miserabler Schütze war. Eugen
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