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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gerichtet.
    »Mich von Karl trennen? Welchen Grund sollte ich dafür anführen? Nein, so etwas käme für mich nie in Frage.« Olly schüttelte heftig den Kopf.
    »Warum? Weil du eine Romanow bist? Weil man das in unseren Kreisen nicht tut? Ich bin auch eine Romanow. Aber wenn es ums Überleben geht, traut man sich sehr viel, glaube mir.«
    Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde Sophie trotz ihrer barschen Worte in Tränen ausbrechen. Evelyn widerstand nur mit Mühe der Versuchung, sie tröstend in den Arm zu nehmen. Siekonnte nur ahnen, welchen Leidensweg Sophie an der Seite eines untreuen, grobschlächtigen und intellektuell nicht gerade reich beschenkten Ehemanns hatte ertragen müssen, bevor sie sich zur Trennung entschloss. Aber interessierte dies auch nur eine Menschenseele? In ihren Kreisen ging es nach wie vor nur darum, den Schein zu wahren. Die Kronprinzessin dachte ebenso. Einerseits bewunderte Evelyn sie für ihre Contenance, andererseits fragte sie sich in letzter Zeit immer öfter, wie lange Olly es noch an der Seite des lieblosen Gatten aushielt.
    »Männer! Lassen wir das leidige Thema«, sagte Sophie nun und zeigte in Richtung Fenster.
    »Ich kann mich einfach nicht sattsehen an eurem schönen Garten. Ein Paradies! Wera wird sicher nicht müde, sich zwischen all den Scherzbrunnen, Pavillons und geheimen Winkeln ständig neue Spiele auszudenken.«
    Wie gekonnt Sophie das Thema wechselte! Evelyn atmete auf, als die Kronprinzessin darauf einging.
    »Wo denkst du hin? Madame Trupow hält frische Luft für schädlich und Spielen für eine Todsünde.«
    Sophie schüttelte missbilligend den Kopf. »Dass du die alte Hexe nicht schon längst vor die Tür gesetzt hast, verstehe ich wirklich nicht. Ihre Erziehungsmethoden sind schrecklich veraltet!«
    »Kosty besteht darauf, dass ich sie behalte, ihm ist eine russische Gouvernante immens wichtig. Würde er sich nur anderweitig auch so für seine Tochter einsetzen«, antwortete Olly grimmig.
    »Und wo ist die kleine Wilde nun? Es ist so still hier im Haus …« Fragend schaute sich Sophie um.
    »Wera ist nebenan, Prinz Wily ist bei ihr. Karl hat ihn gebeten zu kommen. Er hat Wera Bücher von seinen deutschen Lieblingsdichtern geschenkt, und nun soll Wily ihr die Literatur ›von Kind zu Kind‹ nahebringen.« Olly sah irritiert aus. »Eine seltsame Idee, wenn ihr mich fragt. Dafür hat Wera doch ihren Deutschlehrer! Außerdem ist Wily nicht gerade als großer Bücherfreund bekannt.«
    »Wirklich sehr seltsam, eine solche Idee kann nur von meinem Bruder kommen«, stellte auch Sophie fest. »Bei dem schönen Wettersollten Kinder draußen spielen und toben und nicht in der Stube hocken.«
    Evelyn und Olly tauschten einen Blick, sagten aber nichts. Es war über die Grenzen der Niederlande hinaus bekannt, dass Willem Alexander, der dreizehnjährige Sohn des Königspaars, in Bezug auf Unerzogenheit und Wildheit seinem inzwischen vierundzwanzigjährigen Bruder Willem Nicolaas in nichts nachstand. Anstatt sich auf künftige Königswürden vorzubereiten, trieb sich der Thronfolger ständig in der Pariser Halbwelt herum, wo ihm Kokotten, Tänzerinnen und halbseidene Schauspielerinnen willig Gesellschaft leisteten.
    Wenn das die Auswirkungen einer »unverkrampften« Erziehung waren, hielt Evelyn Madame Trupows strenges Regiment für die bessere Wahl.
    »Mit Kindern ist es wie mit jungen Hunden«, fuhr Sophie fort, die den Blick sehr wohl gesehen hatte und auch zu deuten wusste. »Sie brauchen Strenge und Auslauf. Nur das eine oder nur das andere funktioniert nicht.«
    »Also wirklich, du kannst doch Wera nicht mit einem deiner englischen Setter vergleichen. Sie lebt schließlich nicht in einem Zwinger, sondern unter zivilisierten Menschen«, kam es vorwurfsvoll von Olly. »Madame Trupow hat schon recht, irgendwie muss es uns gelingen, Weras Wildheit zu zähmen. Und solange sie mit Wily zusammen Bücher liest, weiß ich wenigstens, wo sie ist. Oft genug entwischt sie nämlich Madame Trupow, rennt fort und ist dann stundenlang nicht auffindbar. Du glaubst nicht, wie oft wir schon nach ihr suchen mussten. Wenn ich wissen will, wo sie gewesen ist, zuckt sie nur mit den Schultern.«
    »Ich bleibe dabei, auch ein Kind braucht gewisse Freiheiten.«
    Ollys verzog das Gesicht. »Leider hat Wera, was die Freiheit angeht, höchst seltsame Ansichten. Stell dir vor, gestern hätte sie im Zeichenunterricht ein Blumenstillleben malen sollen, stattdessen hat sie den ganzen

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