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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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du die erste offizielle Besucherin in dieser Saison hier in der Villa bist, betrachte ich als ein gutes Omen.«
    Die Königin der Niederlande lachte. »Als ob du so etwas nötig hättest! Du hast dein Leben doch auch ohne gutes Omen bestens im Griff. Auf dich, meine Liebe.« Sie hob ihr Glas.
    »Du täuschst dich«, widersprach Olly seufzend. »Dieser Tage habe ich oft das Gefühl, in einem Karussell zu sitzen, das sich immer schneller dreht. Weras Unfall, Konstantins Besuch, der Umzug in die Villa, Weras Kommunion … Und dabei ist das Jahr noch keine vier Monate alt! Ich jedoch fühle mich, als hätte ich schon mindestens die Zeit von Januar bis November auf dem Buckel.« Sie lachte, aber das Lachen erreichte ihre Augen nicht.
    »Das kommt davon, weil du dir ständig mehr auflädst«, sagte Sophie. »Nicht genug, dass du von früh bis spät für wohltätige Zwecke unterwegs bist, nun hast du auch noch dieses schwierige Kind aufgenommen. Und mein lieber Bruder Karl macht dir das Leben sicher auch alles andere als leicht, oder täusche ich mich? Irgendwann bricht auch das stärkste Ross zusammen.«
    Evelyn, die mit beiden Frauen am Tisch saß, hätte Karls Halbschwester am liebsten applaudiert. Die dunklen Ringe unter Ollys Augen bereiteten ihr schon lange große Sorge. Genauso wie die fast durchscheinende Blässe und das ständige Gähnen, das die Kronprinzessin zu unterdrücken versuchte. Auch wenn ihr Sophiesburschikoser Vergleich mit einem Ross nicht gefiel – Olly war tatsächlich am Rande eines Zusammenbruchs. Und es war höchste Zeit, dass dies außer ihr noch jemand anderes aussprach.
    Die Königin war am späten Vormittag in der Stadt angekommen und hatte wie immer als Erstes ihren Vater besuchen wollen. Als sie von den Ärzten abgewiesen wurde, war sie in die Villa Berg zu Olly gefahren. Später am Nachmittag wollten sie dann gemeinsam den König besuchen.
    »Steht es wirklich so schlecht um Vater?«, sagte Sophie unvermittelt. »Und macht er euch das Leben weiterhin schwer? Papa kann ein Scheusal sein, aber er liebt euch über alles, das musst du mir glauben«, fügte sie fast flehentlich hinzu.
    »Wir lieben ihn auch«, sagte Olly gezwungen.
    »Kommt Vater inzwischen wenigstens besser mit Pauline zurecht?« Wie immer, wenn Sophie von ihrer Stiefmutter sprach, nahm ihre Stimme einen unfreundlichen Ton an.
    Olly verzog den Mund. »Frag lieber nicht. Pauline hat sich jedoch eine große Versöhnung in den Kopf gesetzt, im Kreise der Familie. Deshalb sollen wir heute alle gemeinsam am Krankenbett erscheinen.«
    »Ob Vater da mitspielt?«, murmelte Sophie.
    Es war schon kurios: Sophie war die Einzige, die den König von ganzem Herzen liebte. Bei ihren häufigen Besuchen in Stuttgart saß sie jedes Mal stundenlang mit ihm zusammen. Sie diskutierten, plauderten und lachten miteinander.
    »Vater und Tochter im vertrauten Gespräch – diese idyllische Szene müsste man eigentlich für die Ewigkeit auf die Leinwand bannen«, hatte Franz Xaver Winterhalter, der berühmte Maler, bei seinem letzten Besuch gemurmelt. Sein Auftrag war es gewesen, ein weiteres Porträt von Olly anzufertigen, und auf der Suche nach einem geeigneten Hintergrund waren sie im Schloss in einem der Salons auf Sophie und Wilhelm gestoßen. Evelyn hatte nicht sagen können, ob seine Bemerkung ironisch oder ernst gemeint gewesen war. Ach Xaver, dachte sie plötzlich mit großer Sehnsucht, doch sogleich verbot sie sich jeden weiteren Gedanken an denfeinfühligen Maler und wandte sich wieder der Gegenwart zu.
    Evelyn glaubte den Grund für Sophies große Vaterliebe zu durchschauen: Sophie war noch nicht einmal ein Jahr alt gewesen, als ihre Mutter Katharina starb. Sie hatte ihre Mutter zwar nie kennengelernt, doch Evelyn bezweifelte, ob es Pauline je gelungen war, die echte Mutter zu ersetzen. Seit sie die Familie kannte, hatte sie vielmehr beobachten können, welch große Unterschiede Pauline in der Behandlung der Königskinder machte: Karl war nach wie vor ihr Liebling, gefolgt von Katharina, die den ach so prächtigen Kronprinzen Wily auf die Welt gebracht hatte.
    »Vater hat eine robuste Natur, wahrscheinlich ist alles nur halb so schlimm«, sagte Sophie.
    Evelyn setzte sich aufrechter hin. War das der Moment, auf den sie gewartet hatte? Sie schaute Olly mit einem um Verzeihung bittenden Blick an, dann wandte sie sich an den Gast.
    »Apropos robuste Natur … Vergeben Sie mir, wenn ich mich einmische, aber ich mache mir große Sorgen um

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