Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Papierbogen mit einer großen, lebensecht wirkenden Ratte gefüllt. Madame Trupow ist vor Schreck kreischend aus dem Raum gerannt.«
    Sophiebrach in schallendes Lachen aus, Olly stimmte vorsichtig ein. Evelyn hingegen runzelte die Stirn. Das Kind war und blieb ein Teufelsbraten, da gab es nichts schönzureden oder wegzulachen.
    »Hier riecht es doch … irgendwie verbrannt, oder?« Die Nase rümpfend, schaute Olly sich um.
    Auch Eve hatte den kokeligen Geruch bemerkt, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen. In den Wintermonaten, wenn ständig sämtliche Feuerstellen brannten, waren kleine Feuer mehr oder weniger an der Tagesordnung. Aber nun, mitten im Frühjahr?
    Sie stand auf und trat ans Fenster. »Im Küchentrakt scheint alles normal zu sein, da ist kein Rauch zu sehen.«
    »Aber warum sollte jemand in einem Salon Feuer gemacht haben? So kalt ist es doch nicht mehr …« Stirnrunzelnd ging Olly zur Tür, Evelyn und Sophie folgten ihr. Auf dem Gang war alles leise, doch aus einem der Salons zwei Türen weiter war lautes Gelächter zu hören.
    »Da!« Eve zeigte auf den schmalen Spalt zwischen Tür und Boden. Die Röcke zusammengerafft, rannten alle drei Frauen los. Eve riss die Tür auf.
    »Um Himmels willen!« Wie vom Donner gerührt blieb sie im Türrahmen stehen, eine Hand vor den Mund geschlagen.
    Mit großen Schritten rannte Olly an ihr vorbei ins Zimmer, wo auf dem grünen Teppich eine riesige silberne Schale stand, in der Flammen fast einen Meter hoch loderten.
    »Seid ihr des Wahnsinns?«, schrie sie Wera und Prinz Wily an, die vor der Feuerschüssel knieten. »Hört sofort auf damit!« Olly riss Wera das Buch, mit dessen Seiten sie das Feuer fütterte, aus der Hand.
    Während Wily aussah, als wollte er für immer im nächsten Erdloch verschwinden, lachte Wera laut.
    »Er hat’s gewagt! Er hat’s gewagt. Wily ist doch kein solcher Feigling, wie ich dachte.«
    Inzwischen hatte sich auch Eve wieder gefasst. Das Feuer! Kein Wasser,um es zu löschen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als … Resolut wickelte sie sich je einen Rockzipfel um die Hand und trug die Feuerstelle mit ausgestreckten Armen auf die Veranda. Am ganzen Leib zitternd kam sie in den Raum zurück, wo Olly Wera gepackt hatte und schüttelte.
    »Was hast du dir nur dabei gedacht? Das ganze Haus hätte abbrennen können!«, schrie sie hysterisch.
    »Was habt ihr da eigentlich verbrannt?« Fragend schaute Sophie ihren Neffen Wily an.
    »Hölderlin und Mörike. Und Schubart!«, kam es so leise, dass die Frauen den Jungen im ersten Moment gar nicht verstanden.
    »Ihr habt was ?«, rief Eve, der es als Erste dämmerte. »Sag, dass das nicht wahr ist.« Grimmig schaute sie auf das Buch in ihrer Hand. »Hölderlins gesammelte Werke«, zerfetzt.
    »Was ist denn? Ich verstehe nicht …« Hilflos schaute Sophie in die Runde.
    »Die beiden kleinen Teufel haben die Gedichtbände verbrannt, die Prinz Karl Wera in der Hoffnung geschenkt hatte, sie möge darin ihre Liebe zu Württemberg finden.«
    Olly schluchzte auf. Im nächsten Moment versetzte sie Wera eine Ohrfeige.
    »Du schreckliches Kind!«, kreischte sie, dann klatschte ihre Hand ein zweites Mal auf Weras Wange. »Ab in dein Zimmer. Ich will dich nicht mehr sehen. Und du machst auch, dass du davonkommst«, herrschte sie Wily an, der sich das kein zweites Mal sagen ließ.
    Evelyn war auf einmal ganz schwindelig vor Schreck. Dabei wusste sie nicht einmal, was sie mehr erschreckte: Weras unendlicher Vorrat an Lausbubenstreichen oder die Tatsache, dass Olly ihr Patenkind geschlagen hatte. Noch nie hatte sie erlebt, dass die Zarentochter derart ihre Contenance verlor.
    In der schockierten Stille war plötzlich Sophies Kichern zu hören. Sowohl Eve als auch Olly warfen ihr einen ärgerlichen, verständnislosen Blick zu.
    »Verzeiht mir, aber … das Ganze ist wirklich zu komisch. Von wegen›mit Büchern kann Wera nichts anstellen‹!«, sagte sie noch immer lachend. »Die Nichte des russischen Zaren verbrennt Hölderlin – wenn das nach außen dringt, habt ihr eine mittlere Staatskrise!«
    *
    Das Zimmer des Königs lag im Halbdunkel, links und rechts vom Kopfende des Bettes hatte Pauline riesige Bodenkerzen aufstellen lassen, deren flackerndes Licht gelbe Streifen auf das Gesicht des Kranken zeichnete. Er hatte seine Augen geschlossen, ein dünner Schweißfilm lag auf seinem Antlitz.
    Rund um das Bett waren in einem Halbkreis Stühle aufgestellt worden, nur am Fußende war noch etwas

Weitere Kostenlose Bücher