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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ausgeklopft, die Ölgemälde frei von jeglichem Staub.
    »Das ist ja … wie in St. Petersburg!«, rief Wera und drehte sich zu einer stummen Melodie im Kreis.
    Olly lächelte. »Eigentlich soll man sich hier oben wie in Italien fühlen«, sagte sie und begann, die weißen Leinenhussen, mit denen die Stühle entlang der großen Festtafel noch immer abgedeckt waren, abzunehmen. »Ich weilte mit meiner Mutter in Italien, als ich Karl das erste Mal begegnete. Schon bald stellten wir fest, dass die italienische Baukunst eine gemeinsame Leidenschaft von uns war. So oft man uns ließ, besichtigten wir Bauwerke der italienischen Renaissance. Stell dir vor, Karl hat sogar seinen Architekten mit auf die Reise genommen, damit dieser gleich vor Ort so viele Eindrücke wie möglich sammelt und zu Papier bringt. Als dann die Heirat zwischen Karl und mir beschlossene Sache war, stand für uns schnell fest, dass unser zukünftiges Heim einmal so aussehen sollte wie die herrlichen Villen, die wir in Palermo und Venedig gesehen haben. Womit wir nicht gerechnet hatten, war der Widerstand, auf den wir hier trafen: Es gab so manch einen, der gar nicht glücklich war mit unserer Idee, ein Stück Italien nach Stuttgart zu holen.« Olly zog eine Grimasse. Vor allem ihr Schwiegervater hatte alles getan, um die Fertigstellung der Villa immer wieder zu verzögern.
    »Hier oben redet Karl und mir niemand hinein, das hier ist unser kleines Königreich!« Mit ihrer rechten Hand machte sie eine weit ausholende Bewegung, welche nicht nur den Ballsaal, sondern auch den über vierundzwanzig Hektar großen Park mit einschloss. »Leider ist es noch zu früh im Jahr, um die Palmen und Zitronenbäumchen aus ihren Winterquartieren zu holen. Aber wenn du magst, gehen wir sie gleich morgen früh in der Orangerie besuchen. Vielleicht wird dir dann ein wenig mehr südländisch zumute!«
    Wera, die inzwischen wie Olly Stühle von ihren Hussen befreite, sagte:»Chinesische Vasen, korinthische Säulen, vergoldete Kronleuchter – ich bleibe dabei, dieser Saal könnte auch zu Zarskoje Selo gehören. Oder zu Peterhof.« Während sie die russischen Landsitze der Zarenfamilie aufzählte, bekam ihre Stimme einen sehnsüchtigen Klang.
    »Ein Zufall ist das nicht«, gestand Olly. »Natürlich habe ich bei der Planung außer italienischen Elementen auch russische einfließen lassen. Was glaubst du, wie sehr ich in meinen ersten Jahren unter Heimweh litt? Solche Gefühle sind nicht allein dir vorbehalten, mein Kind. Manchmal leide ich heute noch daran, aber hier in der Villa weniger als anderswo.«
    Weras Blick wanderte einmal durch den ganzen Raum. »Das glaube ich dir. Die Stimmung hier ist so leicht. So hell und so … froh.« Sie klang fast verwundert, als könne sie nicht glauben, was sie sah und fühlte.
    Ein großer Stein fiel von Ollys Herz. So wie es aussah, würde die Villa auch auf Wera ihre heilende Wirkung entfalten können. Bitte, lieber Gott, mach, dass das Kind sich hier endlich wohl fühlt, betete sie rasch, dann sagte sie: »Unsere Räume liegen im ersten Stock. Insgesamt zwölf Säle gibt es dort, ich werde dir gleich dein Zimmer zeigen. Warte nur ab, bis du die Aussicht von einem der oberen Balkone siehst! Man ist dem Himmel hier oben ein kleines Stückchen näher«, sagte Olly und warf die letzte Husse zu den anderen auf den Boden.
    Wera zeigte auf den riesigen Wäscheberg und sagte: »Wer kümmert sich darum? Und was geschieht überhaupt mit all den Angestellten aus dem Kronprinzenpalais?«
    Zärtlich strich Olly ihrem Patenkind über den Kopf. »Wie lieb von dir, dass du an andere Menschen denkst. Natürlich sind alle mit uns hierher übergesiedelt, wir brauchen doch schließlich Hilfe, wenn wir hier leben und rauschende Feste feiern wollen!« Olly lachte fröhlich. »Also sind die Köche und ihre Gehilfen mit uns gekommen, die Zimmermädchen und Mägde, die Wäscherinnen und die Bügelfrauen. Und wir haben noch zusätzliche Gärtner eingestellt, der große Park braucht viel Pflege.«
    »DieWäscherinnen wohnen auch hier?«
    »Ja, sie haben ihren eigenen Trakt im hinteren Bereich der Villa.«
    »Und gibt es hier auch einen Dachboden?«
    Olly runzelte irritiert die Stirn. »Einen Dachboden? Ja schon, aber warum willst du das wissen?«
    »Nur so«, antwortete Wera und sah regelrecht erleichtert aus.
    *
    »Ach Sophie, ich freue mich riesig, dass du da bist!« Über den Rand ihres Champagnerkelches hinweg strahlte Olly ihre Schwägerin an. »Dass

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