Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning

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gegeben. Eine Zeitlang schien er wirklich zur Besinnung gekommen zu sein, jedenfalls kam mir nichts anderes zu Ohren. Aber dann fingen die Herrenabende an, und damit auch wieder das alte Elend.« Der Russe zuckte schicksalsergeben mit den Schultern. »All die Jahre bin ich bei ihm geblieben, habe ihn gehätschelt, ihm gedroht und ihn verflucht, alles unter höchster Geheimhaltung. Für Großfürstin Olga hätte ich noch viel mehr getan, das dürfen Sie mir glauben.«
    Evelynschluckte, als sie die bewegte Miene des alten Fürsten sah. Sie war nicht allein in ihrer Liebe zu Olly. Auch er wollte sie beschützen, vor jeglichem Unheil bewahren. Aber wenn dies nicht einmal einem der mächtigsten Männer Russlands gelang, wie sollte dann sie etwas ausrichten?
    »Glauben Sie mir: Mit Karl reden zu wollen ist genauso, als wollte ich meinen Jagdhunden zu Hause erklären, dass die Fährte des Hasen sie fortan nicht mehr zu interessieren hat.« Als wollte die Natur die erbarmungslosen Worte des Fürsten unterstreichen, prasselte ein neuerlicher Schwall unreifer Kastanien auf sie herab.
    »Kommen Sie, lassen Sie uns gehen.« Beinahe unwirsch bot der Fürst Evelyn seinen Arm.
    »Ich möchte mir nicht vorstellen, was geschieht, wenn der alte König stirbt. Bisher hat Karls Angst vor dem Vater ihn vor noch schlimmeren Exzessen bewahrt. Aber sitzt Karl erst einmal selbst auf dem Königsthron, hat er endgültig freie Hand.« Der Fürst schaute Evelyn an, und in seinen Augen spiegelte sich nichts als blanke Sorge um die geliebte Zarentochter. »Es liegt an uns beiden, aufzupassen, dass Olly dann nicht die schlimmste Enttäuschung ihres Lebens erfährt.«

13. KAPITEL
    A ls Karl und Olly sich am nächsten Tag aufmachten, um Sascha und den Rest der Familie zu einem Ausflug zu treffen, sah sie Iwan schon von weitem. An Saschas Seite, wie einst.
    Olly war über den Hüpfer, den ihr Herz bei seinem Anblick machte, verärgert und erstaunt zugleich. War sie wirklich so bedürftig? Sehnte sich ihr Herz so sehr nach Zuwendung? Was sollte diese Gefühlswallung sonst bedeuten? Sie war froh, dass die anderen um sie herum waren, so fiel es ihr leichter, den innerlichen Aufruhr unter Kontrolle zu halten. Außerdem hatte sie sich doch vorgenommen, zu ihm auf Distanz zu gehen.
    Doch Iwan suchte ihre Nähe, und das auf sehr geschickte Art: Immer wieder fachte er ein Gespräch zwischen ihrer Mutter, Sascha und Karl an, um dann, wenn die drei sich lebhaft unterhielten, zu Olly zu treten.
    Und so kamen sie, während sie die Kieswege zwischen duftenden Rosenbüschen entlangflanierten, ins Gespräch. Nach den ersten stockenden Anfängen stellten sie fest, dass sie sich heute mehr zu sagen hatten als früher. Olly erzählte ihm von Wera und ihren Streichen. Bei der Episode mit den verbrannten Büchern lachte er laut los. Und natürlich erzählte sie ihm von ihren vielen Aufgaben in Stuttgart, wo es fast genauso viele Arme gab wie in St. Petersburg.
    »Du bist eine gute Frau«, sagte er, und in der Schlichtheit seiner Worte lag für Olly das größte Lob.
    Einpaar Schritte lang gesellte sich Karl zu ihnen. Als er hörte, wie angeregt sie sich über die Nikolaus-Heilanstalt für Blinde unterhielten, verlor er jedoch rasch das Interesse.
    »Sascha will Boule spielen, er hat seinen Pagen losgeschickt, um einen Satz Kugeln zu holen – da kommt er schon!« Mit diesen Worten eilte er in Richtung seines Schwagers davon. Olly und Iwan folgten ihm mit ihren Blicken.
    »Nein, ich will nicht über ihn sprechen«, sagte Olly leise.
    Also sprachen sie über vergangene Zeiten. Über Iwans so jung verstorbene Schwester Maria, die sie beide bis zum heutigen Tag vermissten. Schöne, blonde Maria! Während die anderen auf einer schattigen Wiese ein Boulespiel begannen, setzten sie sich ein wenig abseits auf eine Bank. Obwohl eine Handbreit Luft zwischen ihnen war, vermochte Olly Iwans Körperwärme zu spüren. Irgendwann kam die Sprache auf ihre frühere Freundschaft und deren abruptes Ende, als Iwan über Nacht in den Kaukasus beordert worden war, um dort für seinen Zaren gegen aufständische Völker zu kämpfen. Wahrscheinlich waren Ollys Vater und auch Sascha damals der Ansicht gewesen, dass damit auch die nicht passende Liebschaft bekämpft wurde.
    »Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, nannte Iwan es, und obwohl er lachte, überwog die Bitterkeit in seiner Stimme.
    »Ich habe dich geliebt«, sagte er dann, ernster, als es Olly lieb war. Sanft strich er ein paar