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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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die Erste, die das Schweigen brach.
    »Es ist nicht gut, dass wir uns treffen.« Unruhig rutschte sie auf der schmalen Holzbank hin und her, und sogleich begann das Boot heftig zu schwanken. Wenn jemand sie sehen würde!
    »Wir sind zwei erwachsene Menschen. Nur wir allein bestimmen, was gut für uns ist und was nicht«, sagte Iwan und klang sehr bestimmt dabei. »Ist etwa dein jetziges Leben gut? Ich sehe dir doch an, wie unglücklich du bist. Karl, Stuttgart, der württembergische Hof – Olly, dieses Leben ist doch nicht deine Welt.« Noch während er sprach, navigierte er das Boot ans Ufer, wo er es im Schutz von dichtgewachsenen Trauerweiden festband.
    »Du bist unverschämt. Wie kannst du dir anmaßen, meine Welt zu beurteilen?«, fuhr sie ihn an. Sie wollte wütend auf ihn sein. Ihn anschreien und ihm sagen, dass er auf der Stelle, sofort zurückrudern solle. Was machte sie hier überhaupt? Es war ein Fehler, sich mit ihm zu treffen. Ein Fehler! Stattdessen geschah ein noch viel größeres Unglück: Sie brach in Tränen aus.
    »Ach Iwan, ich habe alles falsch gemacht …«
    Mit großer Zärtlichkeit nahm er sie in den Arm, wiegte sie wie ein Kind, während ihr Körper von Schluchzern geschüttelt wurde. Seine Wärme, seine beruhigenden Worte, der männliche Geruch … Auf einmal war es ganz natürlich, dass ihre Münder sich fanden. Seine Lippen waren fest, seine Zunge fordernd. Längst waren Ollys Tränen versiegt, immer enger drängten sich ihre Körper aneinander. Aus Trost wurde etwas anderes, Erregenderes.
    Im sanften Schaukeln des Bootes fanden nicht nur ihre Körper zusammen, sondern auch ihre Seelen. Und alles war gut.
    »Hör auf, das kitzelt!« Kichernd schob Olly den Grashalm fort, mit dem Iwan über ihre Wangen strich. Ach, sie fühlte sich so warm und so selig!
    »Das soll es ja«, erwiderte er. »Ich kann mich nicht satthören an deinemLachen. Es ist mir so viel lieber als deine Tränen. Weißt du nicht, dass nichts Männer so hilflos macht wie eine weinende Frau?«
    »Das habe ich vorhin aber nicht bemerkt«, murmelte sie und schmiegte sich noch enger in die Beuge seines Armes. Er roch noch genau wie früher. Aber wie viel besser er sich anfühlte!
    Iwan hangelte im Wasser nach der mitgebrachten Champagnerflasche und begann sie zu öffnen.
    Lächelnd beobachtete Olly ihn. Sie konnte sich an seinen Bewegungen nicht sattsehen.
    Dann hielt er ihr eines der Gläser entgegen. Die kühle Flüssigkeit prickelte auf ihrer Zunge. Sie vermochte sich nicht daran zu erinnern, wann sie sich das letzte Mal so wach, so lebendig und sinnenfroh gefühlt hatte. Ihr war, als sei sie in einen anderen Körper geschlüpft. Oder nein, vielmehr kam sie sich vor wie die Prinzessin in einem der Märchen, die sie Wera so gern vorlas. Diese Prinzessin war nach tausend Jahren Schlaf von einem schönen Prinzen wachgeküsst worden. Iwan, er war ihr Prinz …
    Ein lauter russischer Fluch riss Olly abrupt aus ihren schönen Gedanken. Entsetzt starrte sie auf Iwan, der die halbgefüllte Champagnerflasche ins Wasser schleuderte.
    »Verflixt noch mal, ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass das hier nur eine Episode sein soll. Olly! Sollten wir nicht vielmehr dem gütigen Schicksal danken, dass es uns erneut zusammengeführt hat, und entsprechend handeln?« Flehentlich griff er nach ihren Händen. »Dass wir uns wiedergesehen haben, kann kein Zufall sein. Es war unsere Bestimmung, wieder zueinanderzufinden.«
    Wie vom Donner gerührt befreite sich Olly aus seinem Griff.
    »Unsere Bestimmung? Aber – wie sollte die aussehen? Iwan, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wir haben uns doch gerade erst aufs Neue kennengelernt … »
    »Als ob das eine Rolle spielt. Wir haben schon genug Zeit vertan. Jahre, Jahrzehnte! Ich weiß längst, wie viel du mir bedeutest. Und dass du genauso empfindest, sehe ich in deinen Augen. Nutzen wir heute die Chance, die uns früher verwehrt wurde. Oder hast du etwaAngst vor dem Gerede? Du wärst nicht die erste Frau, die sich von ihrem Ehemann trennt, denke doch nur an deine Schwägerin.«
    Olly sah ihn stumm an. Wie vehement hatte sie Sophies Bemerkung, dass eine Trennung als letzter Ausweg aus einer lieblosen Ehe auch für sie möglich wäre, noch vor ein paar Wochen von sich gewiesen. Und nun …
    »Sollen sie sich doch die Mäuler zerreißen! Du brauchst vor nichts und niemandem Angst zu haben, Olly. Ich werde jeden, der etwas Schlechtes über dich zu sagen wagt, herausfordern.« Er

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