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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Menschenmassen.
    »Was für ein Trubel«, schrie Karl ihr ins Ohr. »Eins sage ich dir, lange bleibe ich hier nicht. Wir machen dem Kaiserpaar unsere Aufwartung und gehen wieder.«
    Olly nickte beiläufig, während ihre Augen mal hierhin, mal dahin huschten. Alles war so herrlich geschmückt! Die Gäste strahlten mit den Hunderten von Kerzen um die Wette. Und dann die Musik …
    »Lass uns tanzen.« Abrupt wandte sie sich Karl zu, zupfte ein wenig an seinem Ärmel. »Die ganze Nacht hindurch, wie früher, ja?« Schon begann sie sich zum Klang eines Walzers hin und her zu bewegen.
    Er schüttelte sie ab. »Bist du verrückt geworden? Es reicht, wenn wir uns in einem Affenstall befinden, da brauchen wir uns nicht auch noch zum Affen zu machen.«
    Sie waren noch nicht ganz bei ihren Gastgebern angekommen, als jemand Olly auf die Schulter tippte. Verflixt, gerade eben war man ihr auf den Rocksaum getreten, wer stieß nun gegen sie? Irritiert wandte sie sich um und fand sich nur eine Handbreit von einem attraktiven schwarzhaarigen Herrn entfernt wieder.
    »Iwan?!«
    »Dobre den« , erwiderte er auf Russisch. Sein spitzbübisches Lächeln vertiefte die Grübchen um seinen Mund noch mehr.
    Vor Ollys Augen verschwamm alles zu einem wilden Kaleidoskop. Die Menschen, die Musik, ihre Gastgeberin, die strahlend auf sie zukam …
    Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit.
    Iwan Bariatinski … Ihre erste große Liebe. Der Bruder ihrer verstorbenen Freundin Maria. Saschas bester Freund. Ihm hatte sie ihr Herz geschenkt, doch der Krieg und andere Umstände hatten nichtgewollt, dass sie zusammenkamen. Seit jener Zeit wusste sie, dass Liebe weh tun konnte.
    Iwan Bariatinski bedachte Karl mit einem knappen Nicken, welches dieser noch reservierter erwiderte. Dann nahm Iwan Ollys rechte Hand und küsste sie.
    »Du bist noch schöner geworden«, murmelte er.
    Dort, wo seine Lippen auf ihre Hand trafen, fühlte sich ihre Haut heiß und fiebrig an. Unwillkürlich machte Olly einen Schritt zurück, als habe sie Angst, sich an einem lodernden Feuer zu verbrennen.
    »So viele Jahre haben wir uns nicht gesehen«, sagte er, noch immer ihre Hand haltend. »Aber durch Sascha wusste ich immer, wo du bist, wie es dir geht. Olly …«
    Wie er sie anschaute! Wie ein Verdurstender, der an einer erfrischenden Quelle stand. Ein Schauer rann prickelnd über Ollys Rücken. Iwan strahlte noch mehr Charme aus als in früheren Zeiten.
    Wo kommst du her? Seit wann bist du hier? Weiß Sascha, dass du hier bist? Wie lange bleibst du? Tausend Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, aber sie war nicht in der Lage, auch nur eine einzige zu stellen. Als die österreichische Kaiserin zwischen sie trat, war sie beinahe erleichtert.
    »Liebe Kronprinzessin, ist meine Überraschung gelungen?« Elisabeth strahlte Olly an. »Als Fürst Bariatinski mir gestern erzählte, dass er ein alter Jugendfreund des Zaren sei, kamen wir auch auf Sie zu sprechen, liebe Olly. Da dachte ich mir, dass solch ein spontanes Wiedersehen zwischen alten … Freunden sehr charmant sein könnte. Hatte ich recht?«
    »Sie sind wirklich immer für eine Überraschung gut«, Olly umarmte die Kaiserin, ließ sie jedoch wieder los, als sie über deren Schulter hinweg Karls missmutigen Blick bemerkte. Er räusperte sich und legte besitzergreifend eine Hand auf Ollys Arm.
    »Verzeihen Sie, Eure Hoheit, aber meine Frau und ich müssen Ihr schönes Fest leider schon wieder verlassen. Termine, Sie verstehen?« Bevor Olly wusste, wie ihr geschah, zog Karl sie hinter sich her.
    »Wir sehen uns, gleich morgen, ja?«, rief Iwan ihr nach.
    Indieser Nacht lag Olly lange wach. Iwan Bariatinksi auf dem Fest der Kaiserin … Wie er allein durch seine Präsenz aus der Menge hervorstach!
    Bilder, die tief in ihrem Inneren verschüttet gewesen waren, huschten wie Gespenster durch ihren Kopf und raubten ihr den Schlaf.
    Ihr erster Ball im Palast ihrer Tante Helene. Sie war so jung gewesen. Und so schüchtern. Hatte kaum zu atmen gewagt vor lauter Schüchternheit. Sie hatte Maria Bariatinski mit den wunderschönen blonden Haaren schon von weitem gesehen. Ohne Scheu hatte diese die Zarentochter angesprochen, und nach wenigen Sätzen wussten sie beide, dass sie Freundinnen werden würden.
    Später dann, auf der vom Regen glänzenden Terrasse des Michaelpalastes, die mit unzähligen Kerzen beleuchtet worden war, war Marias Bruder zu ihnen gestoßen. Fürst Iwan Bariatinski. Er hatte Gedichte für sie zitiert.

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