Die russische Herzogin
sie Königin war.
Mit frischem Elan ging sie mit Eve die Tagesliste weiter durch: Es galt, ein Abschiedsgeschenk für Pauline zu besorgen, Karls und ihr Hochzeitstag am 13 . Juli stand zur Planung an, letzte Treffen mit noch in der Stadt weilenden Gästen waren zu organisieren. Olly hörte konzentriert zu, machte hier eine kurze Anmerkung, lehnte da etwas ab – sie und Evelyn waren ein eingespieltes Paar.
»Des Weiteren teilt Ihr Gatte mit, dass er schon jetzt mit Ihrem Geburtstag im September beschäftigt sei. Er hat eine große Feier im Sinn, nun, da Sie Königin sind. Bestimmt darf ich ihm Ihr Einverständnis für seine ›geheimen Pläne‹ mitteilen?«, fragte Eve lächelnd.
Olly lächelte ebenfalls, während ein diffuses Gefühl von Trauer und Resignation sie durchfloss. Ihre Geburtstagsfeier im September. War es nicht typisch für Karl, dass er sich gerade darum bemühte? Große, pompöse Auftritte. Menschen, die ihnen, dem schönen Königspaar, zujubelten. Öffentlich zur Schau gestelltes Glück. Wie viel lieber wäre es ihr gewesen, Karl würde sie einmal fragen, wie es ihr ging. Ob sie mit den neuen Anforderungen zurechtkam. Gewiss, sie waren sich wieder nähergekommen nach Wilhelms Tod. So, wie sie all die Jahre versucht hatten, sich zu zweit gegen ihn und seine Allmacht zu stemmen, so versuchten sie nun zu zweit, in seine Fußstapfen zu treten. Oder, besser noch, eigeneWege zu gehen. Der übermächtige König – ihr verbindendes Glied. Liebe? Zärtlichkeit? Beides war nicht vonnöten, um in der Öffentlichkeit und der Politik ein gutes Bild abzugeben.
Gräfin Taube hüstelte. »Da wäre noch etwas, Eure Hoheit. Mich würde interessieren, ob Sie schon eine Entscheidung bezüglich der freien Position des Obersthofmeisters getroffen haben?«
»Warum fragen Sie mich nicht einfach, ob es nun Ihr Gatte oder doch die Gräfin Benckendorff wird? Denn das ist es doch, was Sie interessiert«, erwiderte Olly gereizt. »Ich muss Sie enttäuschen, meine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Ernennung von Baron Maucler zu meinem Oberstkammerherrn ist hingegen beschlossene Sache. Und dass Cäsar Graf von Beroldingen königlicher Oberstallmeister wird, ebenfalls. Und noch etwas habe ich schon heute zu verkünden …« Sie lächelte erst Eve, dann die Gräfin Taube hoheitsvoll an.
»Ich werde euch beide zu Ehrendamen ernennen!«
Während die Gräfin vor Rührung fast die Fassung verlor, Dankesworte stammelte und kurz davor war, Olly zu umarmen, saß Evelyn nur da und starrte schweigend vor sich hin.
Nachdem sie ihre beiden Hofdamen auf Botengänge geschickt hatte, blieb Olly allein in ihrem Salon zurück. Gedankenverloren schenkte sie sich aus einer Karaffe ein Glas Wasser ein und trank es in kleinen Schlucken.
Warum hatte sie ihre Hofdamen so angeraunzt? Kein Wunder, dass sich Eves Begeisterung über die Beförderung in Grenzen hielt. Dabei hatte sie, Olly, sich diesen Moment so feierlich vorgestellt. Eine Flasche Champagner hatte sie öffnen wollen und beiden Damen zusammen mit der guten Nachricht eine goldene Brosche samt Ripsband überreichen. Stattdessen hatte sie die Nachricht lieblos in einem Nebensatz fallengelassen. Und die Schmucketuis lagen vergessen in einer Schreibtischschublade. Sie würde sie morgen übergeben.
Ihr Blick blieb an dem dicken Stapel Korrespondenz haften. Früher hatte sie sich auf die tägliche Post gefreut. Auf die Briefe aus St. Petersburg, auf Post von Sophie und anderen lieben Menschen. Heutzutage waren unter den Briefeschreibern jedoch die Bittsteller und Speichellecker in der Mehrheit, Olly fand es einfach widerlich, wie schamlos die Leute um Gunst und Gelder buhlten. Ob es Karl genauso ging? Sie wusste es nicht. Im Alltag eines Königspaars waren spontane, offene Unterhaltungen unter den Eheleuten nicht vorgesehen.
»Dir kann man es heute nicht recht machen, Olga Nikolajewna Romanowa, Königin von Württemberg«, murmelte sie vor sich hin.
So viele Jahre hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich auf den Thron zu kommen! Nun, da es so weit war, schmeckte der Triumph fahl. Hatte sie zu lange warten müssen? Oder hatte sie die letzten zwanzig Jahre damit vertan, auf etwas zu warten, was es bei näherer Betrachtung gar nicht wert war?
Aufgewühlt lief Olly wie ein eingesperrtes Tier zwischen der Fensterfront ihres Salons und dem Schreibtisch hin und her.
Seit ihrer überstürzten Abreise aus Bad Kissingen hatte sie es sich nicht erlaubt, an Iwan zu
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