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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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und Haremsdamen regte Wera so auf, dass sie wild zu hüpfen begann.
    »Wo denkst du hin?« Anstatt das Gespräch sofort zu beenden, wie es sich geziemt hätte, sagte Evelyn: »Die gute Amalie von Stubenrauch ist wahrscheinlich längst beim Kofferpacken. Von deiner Tante weiß ich, dass der König ihr nahegelegt hat, sich ein Domizil außerhalbWürttembergs zu suchen. Nach dem Tod seines Vaters sei sie in der Stadt nicht mehr willkommen. Es heißt, sie gehe nach Bayern.«
    Wera nickte auf wissende Weise, zu Evelyns Erleichterung machte sie jedoch keine Anstalten, das Thema zu vertiefen. Was hätte sie auch dazu sagen sollen? Etwa, dass die ältliche Hofschauspielerin ihr leidtat? Nach all den Jahren, in denen sie Wilhelms Launen ertragen hatte, wurde sie fortgejagt wie ein Hund, der zu lange ums Haus gestreunt war!
    »Irgendwie ist das Leben verrückt. Noch vor einer guten Woche waren deine Tante, dein Onkel und ich in Bad Kissingen, alle waren fröhlich, der König lebte, und jeder glaubte, das würde noch lange so weitergehen. Mir kommt es so vor, als wäre das in einem anderen Leben gewesen. Was gestern galt, gilt heute längst nicht mehr, täglich überschlagen sich die Ereignisse. Irgendwie macht mir das fast ein bisschen Angst.«
    Wera legte einen Arm um Evelyns Hüfte und sagte: »Und wenn sich noch so viel ändert, du wirst immer Ollys beste Freundin bleiben.«
    Evelyn schwieg verblüfft. Wieder einmal hatte Wera feinfühlig genau den Punkt herausgepickt, der ihr derzeit am meisten zu schaffen machte: die Frage, welchen Platz sie im neuen Hofgefüge einnehmen würde.
    Völlig überraschend waren mehrere Hofdamen entlassen worden. Einige davon hatte Evelyn sehr wohl geschätzt. Aber Olly waren sie nun, da sie Königin war, anscheinend nicht mehr gut genug. Oder hatte Fürst Gortschakow ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt? Dass es ihm am hiesigen Hof nicht herrschaftlich genug zuging, wusste Eve schon lange. Vor allem die Villa Berg war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen. Wie konnte eine russische Großfürstin in einem ärmlichen Landhaus leben? Dass sowohl Olly als auch Karl sich ganz bewusst für einen solch bescheidenen Lebensstil entschieden hatten, verstand er nicht. Er war froh, dass der Umzug ins Neue Schloss kurz bevorstand.
    Ob aus eigenem Antrieb oder auf Gortschakows Rat hin – Olly hattejedenfalls diverse hochwohlgeborene Adelsfrauen zu ihren neuen Hofdamen ernannt, denen Eve mehr oder weniger misstrauisch gegenüberstand. Was auch an den Erfahrungen lag, die sie mit Gräfin Taube, die seit Februar mit von der Partie war, machen musste: Anstatt sich mit Evelyn abzustimmen, behielt die Gräfin gern Informationen für sich oder gab sie zu spät oder an die falsche Person weiter. So war es mehrmals dazu gekommen, dass Evelyn einen Ausflug oder Termin verpasst hatte, weil ihr die Abfahrtszeit nicht mitgeteilt worden war.
    Nun, in der Stunde von Ollys Triumph, spielte sich die Taube aufdringlich in den Vordergrund. Sie war es, die die Einteilung der Gästezimmer vornahm. Sie war es auch, die Kostys Ehefrau Sanny bei einem Einkaufsbummel begleitete – eine Aufgabe, die Eve ebenfalls gern übernommen hätte.
    Dass Olly die Querelen unter den Hofdamen nicht auffielen, ärgerte Eve. Sie fühlte sich im Stich gelassen und ungerecht behandelt. In all den Jahren, in denen Olly zur Untätigkeit verdammt gewesen war, ferngehalten von jeglichen politischen Geschehnissen, hatte sie, Evelyn von Massenbach, ihr zur Seite gestanden. Nun hatte Olly endlich das Sagen. Würde die Macht ihr selbstherrliche Züge verleihen? Würden ihr fortan Menschen, die ihr nach dem Mund redeten, wichtiger erscheinen als treue, ehrliche Weggefährten, so wie sie einer war?
    Obwohl sie sich gegen solche Gedanken heftig wehrte, konnte Evelyn nichts gegen die leise Zukunftsangst tun, die wie Morgennebel in ihr aufstieg. Würde am Ende auch sie der Königin nicht mehr gut genug sein?
    *
    »… und so muss ich Ihnen leider verkünden, dass Ihre Dienste als Leiter der Bau- und Gartendirektion nicht mehr gefragt sind. Fortan werden Sie Ihrer Dichtung wieder mehr Zeit widmen können, und wer weiß? Vielleicht müssen Sie dann zukünftig keine solch boshaften Rezensionen mehr über sich ergehen lassen, in denen von ihrer ›wortseligsten Nichtigkeit‹ die Rede ist.« Olly bedachteFriedrich Hackländer über ihren Schreibtisch hinweg mit einem künstlichen Lächeln.
    »Aber was ist mit der Renovierung des Schlossplatzes? Und was ist mit der

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