Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
und Getränken, Teilnehmer und Gesprächsthemen waren weitgehend dieselben. Es ging unverändert um neueste Labor- oder sonstige Ergebnisse zu irgendwelchen Patienten, letzte Angebote, einen Nachtdienst wegzutauschen oder Versuche, endlich die Urlaubstermine abzustimmen.
Wie immer hatte Familie Kindel auf einen Partyservice verzichtet, es gab mit Zahnstocher zusammengehaltene Schnittchen mit Aldi-Lachs, Käsewürfel und Weintraube obendrauf. Wir kannten das Gesteck von den jährlichen Einladungen, Frau Kindel hatte es wahrscheinlich schon zur Taufe ihrer zwei Söhne serviert. Sie hielt sich im Hintergrund, sorgte für den Nachschub an Schnittchen und Getränken.
In dem Gedränge stachen drei Gruppen hervor. Aus der Gruppe um Heinz Valenta von der Intensivstation klang viel Lachen herüber, hier ging es um die neueste Fehldiagnose oder Verwechslung von Unterlagen in der eigenen oder in anderen Abteilungen, die letzte irrwitzige Anordnung aus der Personalverwaltung oder das jüngste Rundschreiben von Dr. Bredow. Den Mittelpunkt der zweiten Gruppe bildete Professor Kindel, immerhin war es sein Abschied. Die größte Gruppe hatte sich um Professor Dohmke geschart, die Gruppe der Opportunisten und der Verzweifelten. Es hing letztlich von diesem Mann ab, ob Verträge verlängert würden. Im Bewußtsein seiner Macht als ärztlicher Direktor hielt er gleich neben dem Büfett Hof.
Unser aller Problem war ein passendes Abschiedsgeschenk gewesen. Nach einem langen und nicht schlecht bezahlten Arbeitsleben besaß unser Chef eigentlich alles – bis auf irgendwelche Interessen. Drei Vorschläge hatten es in die Endausscheidung geschafft: eine Saisonkarte für alle Heimspiele der Hertha, eine Sieben-Tage-Pauschalreise nach Mallorca oder eine Golfausrüstung. Mit dem Argument, daß es was für länger sei und nach was aussähe, hatte die Golfausrüstung gewonnen.
Marlies hatte sich bereit erklärt, sich um den Kauf zu kümmern, so daß sie als letzte und ziemlich erledigt mit dem Golfsack angeschleppt kam. Sicher stand ihr Wagen noch weiter entfernt als meiner. Ich tröstete sie mit der Vorstellung, daß sich in Zukunft Professor Kindel mit dem Zeug abmühen dürfe. Sie meinte, wahrscheinlich würde Kindel Golf als Partnersport betreiben – er würde die Bälle schlagen und seine Frau die Ausrüstung buckeln.
Heinz Valenta hatte sich wie üblich weder um die Dienstplankoordination für dieses Fest noch um das Geschenk gekümmert, lieferte aber eine seiner herzig-launigen Reden und übergab unsere Golfschläger. Professor Kindel war überrascht über so viel Herzlichkeit, ihm fehlten die Worte, sagte er und ersparte uns eine zweite Rede.
Die hielt Professor Dohmke, und nach seinen Worten sah es für die Zukunft der kardiologischen Abteilung wirklich böse aus. Professor Kindel würde einfach nicht zu ersetzen sein, weder als Arzt für seine Patienten noch für uns als Lehrmeister oder für Dohmke als Kollegen. Wir alle kannten diese Rede, er hatte sie fast wortgleich vor gut einem Jahr bei der Verabschiedung des Chefs der Röntgenabteilung gehalten. Der durfte sich dann am folgenden Montag seine Bücher, Familienfotos und Korrespondenzordner aus einer Abstellkammer in der Pathologie abholen, Dohmke hatte sein Büro noch am Wochenende leerräumen lassen.
Als offiziellen Abschied würde auch Professor Kindel nach fünfzehn Jahren in unserer Klinik das übliche Formschreiben bekommen mit der Aufforderung, dem Hause gehörende Dienstkleidung und Schlüssel innerhalb von drei Tagen abzugeben, gezeichnet Personalabteilung.
Als Dohmke zum Ende gekommen war, bedankte sich Professor Kindel artig und wußte sicher, die schönen Worte richtig zu werten.
Er stand neben mir und meinte; »Wissen Sie, ich hatte es mir viel schwerer vorgestellt, mit der Klinik aufzuhören. Nicht daß mir die Medizin keinen Spaß gemacht hat. Es war schön, die Fortschritte in der Kardiologie und die Fortschritte junger Assistenten zu beobachten.«
Es stimmte. Für unsere Ausbildung hatte er sich immer Zeit genommen. Von ihm hatten wir gelernt, unseren Patienten zuzuhören und im Zweifel dem Patienten mehr zu glauben als Laborwerten oder Röntgenbildern.
»Aber«, fuhr er fort, »Chefarzt ist auch nicht mehr, was es mal war. Diesen ewigen Streit um Mittel und Stellen werde ich sicher nicht vermissen. Die Verwaltung mag uns ja einiges an Arbeit abgenommen haben, aber erleichtert hat sie unsere Arbeit nicht. Und mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz ist
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