Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Keine schlafenden Hunde wecken. Aber ich verschwieg weiterhin meine Ausflüge in die Pension Elvira.
»Es macht mir Sorgen, Herr Dr. Bredow, daß ich keine Ahnung habe, was dieser Patient getrieben hat, nachdem er von meiner Station verschwunden ist. Hat er weiter hier saubergemacht, nur in einer anderen Abteilung? Hat er woanders für CareClean gearbeitet? Oder war er die ganze Zeit krank? Eventuell war seine Gelbsucht infektiös, und er könnte andere infiziert haben. Gibt es bei uns denn keine Personallisten von den Leuten, die hier für CareClean arbeiten?«
Dr. Bredow schüttelte den Kopf.
»Brauchen wir nicht. Macht alles CareClean.«
»Und was zahlen wir diesen Leuten? Haben die zum Beispiel eine Lohnfortzahlung bei Krankheit?«
»Dr. Hoffmann, wie in alten Tagen als Assistentenvertreter! Das ist doch der Sinn der Sache, wir zahlen diesen Leuten gar nichts. Wir zahlen der jeweiligen Fremdfirma einen festen Satz und brauchen uns um nichts zu kümmern. Keine Lohnbuchhaltung, keine Kosten für Weihnachts- und Urlaubsgeld. Wir brauchen keinen Stellenschlüssel, der Krankheit und Urlaube berücksichtigt, alles nicht mehr unser Problem. Was meinen Sie, was uns das an Geld spart. Nicht zuletzt Geld, das wir auch für Ihr Gehalt bitter benötigen.«
»Sind Sie sicher, daß diese Leute vernünftig krankenversichert sind?«
»Sie haben doch selbst gesagt, daß dieser Tschenkow bei uns sogar stationär versorgt worden ist. Das haben wir sicher nicht kostenlos gemacht, hoffe ich jedenfalls. Ich bin sicher, daß diese Firmen die gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Wir sind dafür nicht zuständig.«
»Ich finde schon, daß wir eine gewisse Mitverantwortung haben bei Leuten, die hier arbeiten, auch wenn sie von Fremdfirmen kommen.«
»Dr. Hoffmann, bei aller Wertschätzung, das wird jetzt eine sehr allgemeine Diskussion über die Struktur des Arbeitsmarktes in Deutschland, meinen Sie nicht?«
Dr. Bredow konsultierte seine Armbanduhr und erhob sich. Mir blieb nichts anderes übrig, als auch aufzustehen. Er legte mir seine Hand auf die Schulter und schob mich sanft in Richtung Tür.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie diesen Mann damals nicht entlassen, er hat sich doch selbst entlassen. Schon deshalb kann uns niemand einen Vorwurf machen. Sie sind ein guter Arzt, das weiß ich, tatsächlich einer unserer besten. Sie haben sich bestimmt nichts vorzuwerfen.«
Er hatte mich inzwischen fast an der Tür.
»Wenn es Sie beruhigt, werde ich mich selbst darum kümmern, ob uns da irgendwelche Schwierigkeiten drohen. Machen Sie mal weiter Ihre Medizin, und spielen Sie nicht Detektiv. Als Arzt sind Sie uns wertvoller. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich Fakten habe.«
Die Audienz war beendet, Dr. Bredow verabschiedete mich mit Handschlag. Im Vorzimmer saß schon Schwester Luise, die Oberschwester des Hauses und Chefin des Krankenpflegepersonals. Es stimmte, Dr. Bredow war ein vielbeschäftigter Mann.
8
Das Gespräch mit Dr. Bredow begleitete mich den restlichen Tag und auch die nächsten Tage. Nichts war besonders auffällig, aber einige Kleinigkeiten ließen bei mir ein seltsames Gefühl zurück.
Bemerkenswert, daß Dr. Bredow sich überhaupt Zeit für mich genommen hatte, obgleich ich weder Sprecher der Assistenzärzte noch einer seiner Chefärzte war, die auch nicht jederzeit einen Termin bei ihm bekamen. Hatte ich das meinem guten Verhältnis zu Frau Krüger zu verdanken? Vielleicht, aber üblicherweise hätte er mich gebeten, mein Anliegen schriftlich bei Frau Krüger einzureichen, er würde sich dann melden. Auch über die verschwundenen Akten war er für seine Verhältnisse relativ schnell hinweggegangen, er, der schriftliche Unterlagen so liebte. Normalerweise hätte er gleich zum Telefon gegriffen und Frau Tönnig die Hölle heiß gemacht.
Am meisten irritierte mich, daß Dr. Bredow überhaupt nicht zum medizinischen Hintergrund nachgebohrt und keine Frage zur Sektion gestellt hatte. Natürlich sind wir alle haftpflichtversichert, aber Kunstfehler sind einfach schlecht für den Ruf des Hauses. Außerdem geben Behandlungsfehler Dr. Bredow zusätzliche Macht über uns Ärzte.
Das ganze Gespräch über hatte er mir zugehört und auch vernünftige Fragen gestellt. Irgendwie jedoch war er mir nicht ganz bei der Sache erschienen, als beschäftigten ihn ganz andere Sorgen als mein toter Ukrainer.
Ich wartete bis Freitag mittag auf einen Rückruf von Dr. Bredow,
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