Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
dann rief ich Frau Krüger an. Sie wußte von nichts, wollte aber nachfragen. Danach traf ich Marlies beim Mittagessen.
Freitag ist Fischtag, daran hat auch das Hospital Catering nichts geändert. Es wurden weiterhin jene viereckigen panierten Stücke serviert, ohne Gräten und ohne den geringsten Hinweis, welches Lebewesen als Rohmaterial für die perfekte geometrische Form gedient hatte.
Marlies hatte ihre erste Woche mit AIPler Harald hinter sich. Ihre Erwartungen waren offensichtlich voll bestätigt worden.
»Ich glaube, gleich Montag bringe ich ihn um.«
»Strick oder Nagelfeile?«
»Weiß ich noch nicht genau. Es muß was sein, was lange dauert und richtig weh tut.«
Ihrem eindeutigen Blick nach zu urteilen, hatte Marlies sich schon für eine ganz bestimmte Technik entschieden.
»Warum schickst du ihn nicht häufiger in unsere Klinikbibliothek?«
»Habe ich gestern gemacht. Volltreffer. Er hat wohl irgendeinen Artikel über Hochdruck gelesen und am Nachmittag sofort bei allen Patienten die Hochdruckmedikation umgestellt. Ich werde wahnsinnig!«
»Sag mir Bescheid, wenn du ihn umbringst. Ich halte ihn fest.«
»Mach ich. Und wenn du heute gehst, vergiß nicht, deine Station fest abzuschließen. Er hat Wochenenddienst.«
Ich beeilte mich mit meinem Stück Preßfisch und verzichtete auf den Nachtisch. Wenn AIPler Harald für das Wochenende eingeteilt war, gab es noch viel zu tun.
Patienten nehmen gemeinhin keine Rücksicht darauf, ob es Werktag oder Wochenende ist, Tag oder Nacht. Am Freitagnachmittag ist es die Aufgabe des Stationsarztes, die Patienten möglichst in ihrem aktuellen Status zu konservieren. Am Montag nehmen wir dann gerne wieder den Kampf gegen die Krankheit auf, aber für das Wochenende sollten Patienten nicht riskieren, daß sich der diensthabende Arzt um sie kümmert. Denn der ist schon sauer genug, daß er das Wochenende in der Klinik verbringen muß, und er will die Zeit wenigstens nutzen, seit Wochen fällige Arztbriefe abzuarbeiten.
Seine Reaktion auf Störungen durch Patienten, die sowieso nicht seine sind, läuft grob auf zwei Varianten hinaus: Die für den Patienten im Regelfall günstigere ist die, daß er nur das Notwendigste veranlaßt und das Weitere dem Stationsarzt am Montag überläßt. Gefährlicher wird es, wenn der Diensthabende schon immer davon überzeugt war, daß der Kollege Stationsarzt keine Ahnung von Medizin hat, und mal eben ein Exempel statuiert, wie Medizin zu laufen hat. AIPler Harald würde am Wochenende wirklich alles daransetzen zu beweisen, was für ein tüchtiger Doktor er ist. Dazu wollte ich ihm keine Gelegenheit geben.
Kurz vor Feierabend rief mich Frau Krüger an. Sie habe mit Dr. Bredow gesprochen, und der ließe mir bestellen, ich solle mir wegen der Angelegenheit keine Sorgen machen, es sei alles in Ordnung.
»Und was ist mit der stationären Akte?« fragte ich.
»Von einer Akte hat Dr. Bredow nichts gesagt.«
Ich dankte für den Anruf und wünschte ihr ein schönes Wochenende.
»Danke, Dr. Hoffmann. Und Ihnen viel Spaß bei Professor Kindel.«
Richtig. Dies war die letzte Woche von Professor Kindel als Chef unserer Abteilung gewesen. Er hatte uns für heute abend zu einem Abschiedsfest in sein Haus eingeladen. Ich mußte mich auf den Heimweg machen: duschen, umziehen, den Krankenhausgeruch loswerden. Vorher schaute ich noch kurz nach Frau Schön. Sie sah schon viel besser aus, hatte wieder Glanz in den Augen und eine feuchte Zunge. Die Ausscheidung war in Gang gekommen, der Zucker lag nur noch um zweihundert, und bis auf das Kalium waren die Elektrolyte ziemlich in Ordnung. Auch sonst schien auf der Station alles weitgehend unter Kontrolle fürs Wochenende.
Verständlich, daß Celine nicht zu Kindels Abschiedsfest mitkommen wollte, auf einen Abend mit Klinikanekdoten verzichtete sie gerne. Ich war etwas spät dran, die Bürgersteige und Ausfahrten der näheren Umgebung fand ich schon durch meine Kollegen blockiert. An einen Parkplatz kürzer als einen Tagesmarsch Entfernung war nicht zu denken. Schließlich fand ich noch eine Lücke im absoluten Parkverbot einer Wendeschleife und erreichte Kindels Domizil nach einer gesunden Abendwanderung durch Lichterfelde.
Das Fest war bereits in vollem Gang. Es strahlte den Charme jener Nur-wir-Jungens-Partys aus, die wir als pubertierende Schüler veranstaltet hatten, sobald die Eltern verreist waren. Eigentlich war es nur die Fortsetzung der täglichen Morgenkonferenz – nun mit Schnittchen
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