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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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und fleißiges Kauen verhinderte eine Eskalation von Worten und Emotionen. Aber auch danach wollte kein rechtes Gespräch mehr aufkommen, gegen elf Uhr baten wir Luigi um die Rechnung. Im Gegensatz zu unserem letzten Besuch in Bredows Büro, bei dem ich Bredow weit weg zur Konferenz mit seinen Kollegen Verwaltungsdirektoren wußte, war es mir diesmal nicht gelungen, bei Frau Krüger einen sicheren Termin in Erfahrung zu bringen.
    Immerhin hatte ich von außen kontrolliert, daß im Verwaltungstrakt kein Licht brannte. Celine meinte, ich solle mich nicht so anstellen, also setzte ich ein tapferes Gesicht auf. Was tut man nicht alles, um nicht als Feigling dazustehen! Und tatsächlich alles lief glatt. Celines Schraubenzieher brauchte nicht zum Einsatz zu kommen, der Paßwortschutz für das Betriebssystem war noch nicht wieder installiert. Ohne Probleme konnten wir seine gesamte Festplatte auf unser transportables Modell kopieren.
    »Gibt's hier ein Klo?« fragte Celine.
    So ganz abgebrüht war sie also auch nicht.
    »Ja, du kannst auf unseren Einbruch und auf das Kopieren seiner Dateien noch richtig einen draufsetzen und Bredows Klo benutzen, gleich dort, die kleine Tür. Wenn er das allerdings erfahren sollte, gibt's keine Polizei und kein Gefängnis. Er wird dich nur persönlich steinigen.«
    Celine war begeistert, auf so einfache Art das Maß unserer nächtlichen Untat noch steigern zu können.
    »Bin gleich wieder da.«
    Tatsächlich tauchte sie nach wenigen Sekunden wieder auf.
    »Du Ferkel hast dir nicht die Hände ...«
    Mir erstarb der Scherz auf den Lippen. Celine stand in der offenen Tür zu Bredows Bad. Ihr Gesicht war aschfahl, das Dreieck zwischen Hals und Brustansatz dagegen hochrot mit weißen Flecken.
    »Da ... ist ... jemand ... im ... Bad.«
    Celine stand immer noch stocksteif unter der Tür. Sie hatte nicht die Hände gehoben, und ich sah auch niemanden hinter ihr, zum Beispiel mit einer auf sie gerichteten Waffe. Aber, es sah auch nicht nach einem Scherz aus.
    »Wer ist im Bad?« war meine irgendwie unpassende Frage.
    »Ich ... glaube, du ... kommst ... besser mal.«
    Die Wahrscheinlichkeit, in dieser Nacht hier auf Dr. Bredow zu treffen, war gering gewesen, aber nicht null. Er hätte in seinem Büro sein können und damit die Dramatik unserer Unternehmung ziemlich erhöht. Gesteigert noch, wenn er Celine im Klo ertappt hätte.
    Doch Dr. Bredow konnte niemanden mehr ertappen. Er hing voll bekleidet am Fensterkreuz seines Fünfzigtausend-Mark-Badezimmers, selbst die Brille hatte er aufbehalten. Nur seine Hose war leicht unter die Taille gerutscht, für einen festen Sitz fehlte ihr der Gürtel. Dieser war als Schlaufe um seinen Hals gelegt und am Fensterkreuz verknotet. Etwas entfernt von seinen knapp über den Bodenfliesen baumelnden Füßen stand ein umgestürzter Hocker. Dr. Bredow wirkte fast lässig, wie er so an seinem Hosengürtel hing, mit beiden Händen in den Hosentaschen.
    »Wer ist das?«
    Ich hatte schon bei Luigi gewußt, daß heute etwas schiefgehen würde.
    »Scheiße.«
    »Sag, wer ist das?«
    »Dr. Bredow.«
    »Kannst du noch etwas für ihn tun?«
    Das konnte ich sicher nicht. Er war eindeutig tot, die Lippen aufgequollen und livide verfärbt, die Augen blutunterlaufen und aus den Höhlen getreten. Trotzdem zog ich ihm die Hände aus den Taschen und fühlte nach einem Puls, der nie wieder schlagen würde.
    »Sag doch was – kannst du noch etwas für ihn tun?«
    »Nein, wir können nichts mehr für ihn tun.«
    Ich bin kein Gerichtsmediziner und hatte auch nicht vor, Dr. Bredow ein Thermometer in den Hintern zu stecken, um aus der Differenz von Raumtemperatur zu Körpertemperatur festzustellen, wie lange er schon tot ist. Aber es war klar, daß Wiederbelebungsversuche sinnlos waren.
    Ich betrachtete die Leiche. Warum hatte er das getan? Wer wird der neue Verwaltungsdirektor werden? Was bedeutet sein Tod für die Klinik? Ich hatte den Grund unseres Kommens vergessen, ich hatte Celine vergessen.
    Ich hatte die Zeit vergessen. Was treibt einen Menschen, den man noch vor kurzem ziemlich lebendig erlebt hatte, in den Selbstmord? Hatte er unter Depressionen gelitten? Unter einer unheilbaren Krankheit, von der wir in der Klinik nichts wußten? Was soll aus seiner Familie werden? Wer würde es Margret sagen, seiner Geliebten und leitenden MTA unserer Blutbank?
    »Wenn du nichts mehr für ihn tun kannst, laß uns verschwinden.
    Celine hatte recht, doch ich starrte immer noch auf Dr. Bredow.

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