Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
von der ich nichts wußte? Bei Labor-Dohmkes bekanntem Elektronikfimmel eine nicht vollkommen absurde Vorstellung. Oder irgendein schlafwandelnder Patient hatte uns gesehen und unterschrieb gerade seine Aussage. Sie warteten in meinem Arztzimmer, würden mich in Bredows Büro führen und mich dort mit meinen Fingerabdrücken konfrontieren. Oder sie würden mich vor versammelter Mannschaft aus der Morgenkonferenz heraus verhaften! Vielleicht hätte ich gestern abend bei Luigi doch etwas Ordentliches essen sollen. Andererseits, schlimmer als die kulinarischen Bemühungen von »Hospital Catering Service« in unserer Personalcafeteria würde der Knastfraß auch nicht sein. Ich parkte meinen Golf und betrat die Klinik mit weichen Knien. Allein mein Gang müßte mich überführen!
Keine Bullen, nirgends. Keine Bullen auf dem Parkplatz. Keine Bullen in meinem Arztzimmer. Keine Bullen im Stationsklo. Und auf der Morgenkonferenz kein Wort über Dr. Bredow und sein Ableben. Wahrscheinlich wartete man noch auf ein falsches Wort von mir, eine unbedachte Äußerung wie die Erkundigung nach dem Beerdigungstermin oder die Frage, wer nun Bredows Büro bekomme!
Zwar schaute keiner meiner Kollegen interessiert oder heimlich verstohlen nach mir. Aber – vielleicht hatte man sie instruiert, mich nicht zu beachten? Würde Marlies mir einen Tip geben? Ich sah sie an. Sie sah durch mich hindurch. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie an einem Komplott gegen mich teilnehmen würde. Oder doch?
Am Ende der Morgenkonferenz wagte ich dann doch eine Nebenbeibemerkung.
»Marlies, hast du heute schon Dr. Bredow gesehen?«
»Nee, hab ich nicht. Warum sollte ich? Hast du Sehnsucht nach ihm?«
Nein, ich konnte mir nicht vorstellen, daß Marlies sich an der Fallenstellerei gegen mich beteiligte. Aber bei einem späteren Verhör könnte sie meine Frage nach Dr. Bredow an diesem Morgen zumindest retrospektiv etwas merkwürdig finden. Ich mußte vorsichtiger sein.
Es fiel mir schwer, die normale Klinikroutine abzuspulen: kurzer Morgenbesuch bei den kritischen Fällen, drei schnelle Herzkatheter, ordentliche Visite. Die schwierigen Herzkatheter gab ich an Marlies ab. Auch etwas, woran sie sich eventuell erinnern würde, aber nicht ganz so verdächtig wie meine Frage nach Bredow.
Gegen halb zwölf hielt ich es nicht mehr aus. Ich besuchte Frau Krüger in Dr. Bredows Vorzimmer. Nichts! Kein Trauerflor, keine Kerzen. Frau Krüger tippte emsig irgendwelche Briefe. Wie würde sie wohl unterschreiben – »Nach Diktat verreist«?
Ich fragte, ob ich Dr. Bredow sprechen könne. Es wäre wichtig, es ginge um unser Gespräch von der letzten Woche wegen der Toteinlieferung.
»Tut mir leid, Dr. Hoffmann, Sie können Dr. Bredow nicht sprechen.« Das war mir klar. »Er ist in einer wichtigen Konferenz.«
»Würden Sie mich bitte anrufen, sobald er frei ist?«
»Mache ich, Dr. Hoffmann, mache ich.«
Dr. Bredow ist in einer Konferenz – Frau Krüger, die perfekte Sekretärin! Vielleicht war Dr. Bredow wirklich gerade in einer Konferenz, und es wurde genau jetzt über die Länge seines Aufenthaltes in der Hölle verhandelt. Ich wünschte Dr. Bredow einen guten Verteidiger vor dem himmlischen Tribunal und Frau Krüger einen guten Tag.
Langsam begriff ich, was los war. Aller Wahrscheinlichkeit nach hing unser Dr. Bredow beziehungsweise seine Leiche noch immer am Fensterkreuz seines Badezimmers!
Frau Krüger hatte bisher nur festgestellt, daß er nicht in seinem Büro war, und hatte ihn begreiflicherweise nicht gerade auf dem Klo gesucht. Diskrete Chefsekretärin, die sie ist, hatte sie wahrscheinlich auch noch nicht bei ihm zu Hause angerufen warum dem Chef Schwierigkeiten bereiten und Frau Bredow erregen, wenn der Ehemann die Nacht eventuell bei seiner Geliebten verbracht hatte? Sie würde Margret inzwischen unter einem Vorwand in der Blutbank angerufen haben in der Hoffnung auf einen verschlüsselten Hinweis, daß ihr Chef sich heute verspäten würde. Aber auch dieser Anruf hatte ihr keinen Anhalt gegeben, wann mit ihrem Chef zu rechnen war.
Etwa eine halbe Stunde später meldete mein Piepser mit schrillem Pfeifton »Cito-Alarm« – Ärzte sprechen bekanntlich gerne lateinisch. »Cito« heißt »schnell«. Und das Chaos brach los. Allgemeines Gerenne im Haus, auf jedem Stockwerk wurden die fahrbaren Lebensrettungseinheiten aus ihrer Halterung gerissen und durch die Gänge gerollt, überall lautes Geschrei, mehrere Zusammenstöße der
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