Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
halten.« Dohmke fixierte irgendeinen Punkt an der Wand hinter mir. »Professor Kindel würde sagen, es ist wie beim Fußball. Jeder weiß genau, was zu geschehen hat. Aber keiner will die Verantwortung übernehmen oder die unangenehmen Sachen ...« Er kratzte sich im Ohr. »Es war keine schöne Aufgabe, der Witwe die Nachricht zu überbringen. Sie wissen ja, was für ein Familienmensch Dr. Bredow war.«
Wußte ich nicht. Ich weiß nur, daß er seit über drei Jahren eine ziemlich feste Beziehung zu meiner ehemaligen Geliebten Margret von der Blutbank gehabt und kaum noch ein Wochenende zu Hause verbracht hatte. Dohmke wußte das sicher auch, hing aber noch der Erinnerung an diese unangenehme Pflicht nach.
»Wirklich, keine schöne Aufgabe, das kann ich Ihnen sagen, Dr. Hoffmann.« Plötzlich schien er zu erfassen, daß er für diese Leistung kein besonderes Mitgefühl von mir erwarten konnte. »Aber diese Situation ist Ihnen als Stationsarzt ja nicht unbekannt ...«
Da hatte er recht. Ich hatte sicher weit mehr frischgebackene Witwen, Witwer oder Waisen getröstet als Dohmke in seiner Karriere als Laborarzt. Wenn seine Laborgeräte gelegentlich ein Todesurteil für einen bestimmten Patienten ausspucken, ist es Aufgabe des Stationsarztes, dem Patienten oder seinen Angehörigen die gute Nachricht beizubringen.
Aber er hatte mich sicher nicht bestellt, um über die Unannehmlichkeit von Kondolenzbesuchen zu diskutieren. Ich begann mich zu fragen, wann er zum Thema komme würde. Und was das Thema überhaupt war. Dohmke sah mich zum ersten Mal direkt an.
»Sie sehen nicht gut aus, Dr. Hoffmann. Haben Sie Probleme? Brüten Sie etwas aus?«
Professor Dohmke ist so ziemlich der letzte, der sich um das Wohlergehen des Klinikpersonals Gedanken macht. Meine Alarmglocken, ohnehin in den letzten Tagen recht aktiv, schalteten auf schrillen Dauerton. Einen Moment war ich mir sicher, Dohmke müsse sie hören. Aber er hatte wahrscheinlich recht, Celine hatte meinen Anblick heute morgen als »wie ausgekotzt« bezeichnet. Trotzdem, kein guter Anfang für ein Gespräch mit Dohmke, dessen Richtung mir noch nicht klar war.
Ich murmelte etwas von angespannter Personalsituation, die vielen Überstunden, er wisse ja ...
Dohmke lehnt sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Kein Hemdenknopf spannte über seinem Bauch. Es hieß, er jogge jeden Morgen zwei Stunden durch Dahlem. Wahrscheinlich quält er sich zusätzlich noch im eigenen Fitneßstudio im Keller.
»Wissen Sie, Dr. Hoffmann, die Sparpolitik hat Dr. Bredow nicht aus bösem Willen gemacht, sondern weil die fetten Jahre auch in der Medizin vorbei sind. Wir alle müssen umdenken. Es wird nur noch schlimmer werden.«
Es war wie bei diesen Autos auf der Straße, bei denen plötzlich der Alarm losgeht, aber niemand den Lärm abstellt. War mein Alarm so laut, daß ich irgend etwas nicht mitbekommen hatte? Hatte Dohmke mir schon einen Hinweis gegeben? Wollte er mich mit seinem allgemeinen Geschwätz in eine Falle locken? Ich hatte immer noch keine Vorstellung, warum ich hier war.
Er schaute mich etwas abwesend an, so als wisse auch er im Moment nicht, was ich in seinem neuen Büro zu suchen habe, und kratzte sich wieder im Ohr. Diesmal mit Hilfe eines kleinen Wattestäbchens aus seinem Labor.
»Aber, warum ich Sie zu mir gebeten habe ...« Er tippte jetzt auf dem Computer herum. Er hatte mich so plaziert, daß ich den Bildschirm nicht erkennen konnte. »Ich muß mich jetzt ja notgedrungen auch um Dinge kümmern, die bisher Dr. Bredow erledigt hat. Sie können sich vorstellen, daß ich als ärztlicher Direktor im großen und ganzen Bescheid weiß, aber«, er suchte offensichtlich eine bestimmte Information, »es gibt natürlich immer Details, von denen nur Dr. Bredow wußte, worum es geht, ob es wichtig ist oder nicht, deshalb ... ah, ja, hier ist es.«
Ich war jetzt sicher. Celine hatte irgendwelche Spuren unseres Datenklaus im Computer hinterlassen, und Dohmke hatte sie gefunden. Meine Eumeniden stimmten einen Siegesgesang an. Dohmke fixierte mich über den Rand seiner Brille.
»Sehen Sie, Dr. Hoffmann ...« Leider sah ich nichts, jedenfalls nicht den Bildschirm. »Ich habe hier Dr. Bredows Terminplanung für diese und letzte Woche. Ich muß mich ja schließlich um die Termine kümmern, die Dr. Bredow ausgemacht hat. Und da sehe ich, daß Sie letzte Woche ein Gespräch mit Dr. Bredow hatten. Und genau für heute hatte sich Dr. Bredow einen zweiten Termin mit
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