Die Saat der Erde Roman
Chel, dass die Menschen, bevor sie die Kolonisten in ihrem Raumschiff nach Segrana geschickt hatten, wenig achtsam mit den natürlichen Ressourcen ihrer Heimatwelt umgegangen waren. Nach dem Freundschaftspakt hatten die Uvovo den Menschen geholfen, bestimmte verschwenderische, destruktive Gewohnheiten aufzugeben, und sie angeleitet, die zahlreichen Arten der Siebwurzel anzubauen und sie zu nutzen. Auf diese Weise hatten sie sieben Schwesterwälder angelegt, die allmählich auf das Verhalten der Menschen zurückwirkten. Irgendwann würde ihnen der pflegliche Umgang mit der Natur in Fleisch und Blut übergehen.
Auf dem steinigen Hang nahe der Zepstation kam Chel eine junge weibliche Uvovo entgegen, gekleidet in schlichtes Grün und mit einem Glücksamulett um den Hals. Sie wirkte eingeschüchtert inmitten der größeren, massigeren Menschen, doch als sie Chel bemerkte, hellte sich ihre Miene auf. Sie stellte sich als Giseru vor und geleitete ihn zu einem Lohigpferch, wo ein älterer menschlicher Tierpfleger gerade zwei Reittiere aufzäumte und sie mit beinahe nachlässiger Geschicklichkeit sattelte. Bald darauf kehrte Chel mit seinem Führer der Stadt den Rücken und ritt einen breiten Weg mit tiefen Wagenfurchen entlang, der in eine buschbestandene ausgetrocknete Wasserrinne und weiter zu den bewaldeten Hügeln führte.
Chel hätte beinahe aufgejauchzt, als er die Lenkrute ergriff und hinter Giseru her durch den Wald ritt. Lohigs hatten sechs Beine, ihr segmentierter Körper wurde von Knochenplatten
geschützt, und ihre großen, dunklen Augen waren von sich ruckartig bewegenden Nickhäuten bedeckt. Unter dem Blätterdach von Segrana wurden sie normalerweise nur handgroß, doch vergleichbare Größenunterschiede fanden sich bei zahlreichen Pflanzen und Tieren, die auf Umara und dessen Waldmond beheimatet waren. Chel hatte mit Ökologen der Menschen gesprochen, die aufgeregt verschiedene Erklärungsansätze diskutierten. Sie nahmen zwar zur Kenntnis, dass die Uvovo früher einmal auf dem Planeten und dem Mond gelebt hatten, begriffen aber nicht, dass auch Segrana über beide Welten geherrscht hatte und dass der Verlust des heiligen Waldes die Hauptursache war. Die Menschen sprachen von »Aussterben« und »Katastrophenereignissen«, doch die Legenden der Uvovo berichteten von einem gewaltigen und grauenhaften Konflikt, dem Krieg der Langen Nacht, einem Kampf zwischen den Geistergöttern und den Traumlosen, der dazu geführt hatte, dass die Welt, welche die Menschen Darien nannten, verbrannt war. Die Chronisten und Lehrer der Menschen kannten die Legenden der Uvovo, verstanden sie aber nicht, so wie sie das heilige Reich Segranas aufsuchten, ohne ihr Lied zu hören.
Er lächelte wehmütig, wohl wissend, dass dies nicht ganz stimmte. Einige Menschen, wie zum Beispiel Lyssa Devlin oder Pawel Iwanow, waren empfänglicher und würden eines Tages die Größe Segranas vielleicht umrisshaft erkennen. Doch es gab eine Person, die Wissenschaftlerin Catriona Macreadie, deren intellektuelle Fähigkeiten es ihr gestatten würden, Segrana irgendwann zu begreifen.
Das Lohig, auf dem er ritt, hatte einen gleichmäßigen, stetigen Gang, obwohl der Untergrund steil und uneben war. Die Sonne stand jetzt zu Mittag hoch am weitgehend wolkenlosen Himmel und sandte helle Lichtpfeile durch
die Laubschichten. Insekten summten und schwirrten in der warmen Waldluft umher, gefiederte Hizio trillerten auf den hohen Ästen, und in der Ferne ertönte der klagende Ruf der Ubakil. Chel lächelte, als er all die Laute hörte, die Melodie der Waldbewohner, während im Hintergrund leise, aber deutlich vernehmbar, die ruhige, beschützende Stimme von Ibsenskog ertönte, Segranas Tochterwald.
Giseru, seine Führerin, ritt wortkarg durchs buschige Unterholz und folgte einem Weg, der an einem kleinen Fluss entlangführte. Das friedliche Geplätscher des über die Steine fließenden Wassers mischte sich mit dem Gesäusel der bewaldeten Hügel, doch die Stimme des Tochterwaldes wurde immer kräftiger. Nach einer Weile vernahm Chel eine Art Brausen, und bald darauf erreichten sie das grasbestandene Ufer am Fuße eines Wasserfalls. Eine schmale Treppe mit sorgfältig behauenen Stufen führte die Felswand hoch, die das Lohig ohne Schwierigkeiten bewältigte. Insekten woben Muster in der warmen Luft, und als sie die Anhöhe erreicht hatten, führte ein buschbestandener Hang in eine von Bäumen beschattete Wasserrinne, die sich zu einer Spalte verjüngte, die
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