Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
vor den beiden Unbekannten, und Chih tat es ihm eilig nach. Es folgte ein kurzer Wortwechsel in der schnellen, vielsilbigen Sprache der Roug, die niemals an fremde Zivilisationen weitergegeben wurde, dann wandte sich einer der höherrangigen Roug an Chih.
    »Pilot Kao Chih - wir sind Assessoren des Hohen Index und haben Anweisung, Sie und Aufseher Tumakri zu den Entscheidungsräumen Ihrer Ältesten zu geleiten, wo man Ihnen bestimmte Informationen präsentieren wird.«
    Kao Chih schluckte nervös und folgte ihnen durch den Torbogen des Haupteingangs. Offenbar war die Angelegenheit ernster, als er gedacht hatte. Hatte er vielleicht unwissentlich gegen die Vertragsbestimmungen verstoßen, oder war er beim Ablegen von den Gruben auf V’Harant unachtsam gewesen? Hatte er eine Spur der Verwüstung zurückgelassen und wollten sie die Aufzeichnung K’ang Lo, dem Duizhang, und den anderen Ältesten zeigen?
    Er hatte keine Ahnung, worum es ging, und an diesem Strohhalm klammerte er sich fest. Es war noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen.
    Von den hohen, geschwungenen Plastbetonwänden der Ladebucht mit den geschäftigen Entladestationen gelangten
sie in eine halbkreisförmige Lobby. Davon gingen abgerundete Durchgänge nach unten und zu den Seiten ab, und der Assessor-Roug, der die Führung übernommen hatte, wandte sich zielstrebig zu einem der nach unten gewandten Ausgänge.
    Vergeltung war ein Labyrinth von Tunneln und Räumen unterschiedlicher Größe, die ihren Bewohnern alle Annehmlichkeiten boten. Als Kao Chih dem Roug in die von Bioglühbirnen trüb erhellte Passage folgte, die Shang-Straße genannt wurde, fielen ihm als Erstes wie üblich die Essensdüfte auf. Ganz gleich, welche Schicht gerade war, immer garte jemand irgendwo Gemüse, buk Brot oder rührte im Wok. Dies war der Inbegriff von Heimat, von Normalität, von unaufgeregter Routine, nach der er sich in diesem Moment besonders sehnte. Die Anwesenheit der Roug aber war alles andere als normal. Verwunderte und furchtsame Blicke folgten ihnen, viele staunten darüber, Kao Chih in Gesellschaft von Aliens zu sehen. Köpfe wurden aus Türen und Fenstern hervorgestreckt, und es wurde aufgeregt getuschelt. Dies war ein Ereignis, und er wusste, dass in den nächsten Tagen die Gerüchte immer weiter ausgeschmückt werden würden. Was die Leute sich wohl in einer Woche erzählen würden?
    Durch die Jalousiefenster an der rechten Seite der Shang-Straße blickte man zur Viele-Stimmen-Halle hinunter, dem größten Marktplatz und Treffpunkt von Felshabitat. Im Gehen sprangen Chih vertraute Orte ins Auge, das Teehaus zum Stählernen Drachen, Cho Lais Reparaturwerkstatt und der kleine Balkon, wo die Alte Mutter Yao aus dem I-Ging weissagte. Einerseits wäre er jetzt gern dort unten gewesen, doch in Wahrheit war er froh, dass seine Freunde nicht Zeuge seiner Schande wurden.

    Kurz darauf hatten sie die Verwaltungs- und Kommandoebenen erreicht, die stillen, mit Teppich ausgelegten Flure, auf denen gelbbraun gekleidete Assistenten gelassen ihren Aufgaben nachgingen und wo Wände und Decken ein strahlendes bernsteinfarbenes Licht verbreiteten. Nach ein paar Biegungen gelangten sie zu einer Holztür, die von zwei Wachposten flankiert wurde. Auf der Tür prangten die fünf Symbole der Scheiterhaufen-Kolonie - ein Baum, ein Bär, eine offene Schriftrolle, zwei gekreuzte Speere und in der Mitte das T’ai Chi, alle Zeichen wundervoll geschnitzt und mit Silberintarsien ausgefüllt, die noch aus dem ursprünglichen Kolonieschiff, der Tenebrosa , stammten. Dahinter lag der Besprechungsraum des Duizhang K’ang Lo.
    Jetzt wird’s ernst, dachte er, als der Wachposten beiseitetrat und die Roug-Assessoren als Erste in den Raum schritten. Es war schlimmer als befürchtet. Als sich die Augen von mehr als drei Dutzend steif gekleideten Personen auf die Neuankömmlinge richteten, wurde Kao Chih bewusst, dass alle bedeutenden Persönlichkeiten anwesend waren, die Clanältesten, die diensthabenden Direktoren, der Kommandostab und sein Vater, Kao Hsien. Im Hintergrund warteten zwei Reihen leerer Stühle.
    Ich bin verloren, dachte er schicksalsergeben - bis ihm auffiel, dass sein Vater so dreinschaute, als sei er im Begriff, eine Wei-chi-Partie zu gewinnen …
    »Ah, Pilot Kao - endlich sind Sie da.«
    K’ang Lo war ein hochgewachsener Mann mit Tonnenbrust, dem der blau-schwarze, langärmlige Duizhang-Mantel wie auf den Leib geschneidert war. Kao Chih nahm augenblicklich Haltung an und neigte

Weitere Kostenlose Bücher