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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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so dicht an, wie es möglich war, ohne zu verschmelzen.
    „Ich tue dir weh, ich sollte das nicht …“, quetschte er hervor. Man hörte in seiner Stimme den Kampf gegen die Tränen, die er sich nicht zu weinen gestattete.
    „Du brauchst das. Ich brauche das. Es schmerzt nicht so, ich kann dich nicht sehen“, murmelte Lamár zusammenhanglos. „Es hilft allerdings, wenn du nicht sprichst.“ Das war die Wahrheit, erkannte er verblüfft: Je inniger er Lys umarmte, desto geringer wurden die Schmerzen. Dafür erwachte Verlangen in ihm, nach etwas, was er nicht in Worte fassen konnte. Er weigerte sich einfach darüber nachzudenken, was die zahllosen Empfindungen, die über ihn hereinbrachen, bedeuten konnten, sondern fuhr unentwegt fort, den verzweifelten Mann zu streicheln und dabei den Frieden zu genießen, den ihm diese Nähe schenkte. Er versuchte, so viel Wärme und Trost zu geben, wie er nur konnte, und atmete erleichtert auf, als das Zittern langsam verebbte. Es war so gut, hier zu stehen, egal wie sehr die Umarmung seine Schürfwunden brennen ließ. Der dumpfe Schmerz in seinem Kopf war fort, und auch wenn er sich immer noch an nichts erinnern konnte, fühlte Lamár zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit Zuversicht.

*
     
    „Halt still, sonst kann ich dir nicht helfen!“, schimpfte Lys. Ob sie lediglich Stunden oder mehrere Tage hier in völliger Dunkelheit verbracht und Steine abgetragen hatten, war unmöglich zu sagen. Sie hatten beide weitergemacht, bis Erschöpfung sie zwang aufzugeben. Lys hatte im Sitzen gearbeitet, sich dabei häufig hinlegen müssen, um Schwindel, grausige Schmerzen und Übelkeit zu unterdrücken. Zweimal war er den Tunnel entlang nach hinten gewankt, um sich dort zu übergeben, bis es nichts mehr gab, was er hätte herauswürgen können. Danach war er jedes Mal zur Einsturzstelle zurückkehrt, um schweigend und verbissen weiter zu arbeiten. Es war ein gefährliches Unterfangen, da sie nicht sehen konnten, wo sie anpacken mussten. Immer wieder rutschte das Gestein herunter, sie beide mussten mehr als einen harten Treffer einstecken. Mittlerweile hatten sie sich die Hände wund und blutig gescheuert, obwohl sie Lys’ Hacke gefunden hatten, die ein nützliches Hebelwerkzeug war, um größere Felsbrocken zu bewegen. Lys versuchte nun, Kirians Hände mit Stoffstreifen zu verbinden, die er aus seinem eigenen Hemd gerissen hatte. Da Kirian die ganze Zeit durchgearbeitet hatte, waren seine Hände entsprechend schlimmer zugerichtet. Auch hier war die Dunkelheit ihr Feind: Lys musste auf gut Glück versuchen, mit seinen eigenen schmerzenden Fingern einen Verband anzulegen. Dass Kirian dabei zischend vor ihm zurückzuckte, konnte er verstehen, aber was half es? Am liebsten hätte er noch Stunden so weitergemacht, um einen Grund zu haben, Kirian berühren zu können. Lys wollte ihn so viel fragen, ihm so viel erzählen! Geduld zu wahren kostete ihn beinahe mehr Kraft, als er besaß. Kirian erinnerte sich an ihn! Ein wenig zumindest. Er war zu ihm gekommen, um ihn zu retten …
    Hoffnung, Verzweiflung, Angst, von all dem hatte er in den letzten Tagen und Wochen mehr gehabt, als ein Mensch in einem ganzen Leben erfahren sollte. Ausgerechnet in dem Moment, als Lys wahrhaftig aufgegeben hatte, war Kirian zu ihm gekommen … und nun konnte er nichts tun, als ihm die zerrissenen Hände zu verbinden.
    Irgendwann war er fertig und versuchte für sich selbst zu sorgen. Kirian konnte ihm dabei nicht helfen, dick umwickelt, wie seine Hände nun waren. Es war Lys auch vollkommen gleichgültig, er war erschöpft. Nachlässig knotete er sich zwei Stoffstreifen um die Finger, das musste genügen. Danach trank er ein wenig von dem metallisch schmeckenden Wasser, das von den Wänden herabsickerte – zumindest etwas, um das sie sich keine Sorgen zu machen brauchten – und ließ sich langsam auf dem Boden nieder. Er hatte vor nicht allzu langer Zeit noch weitaus schlimmere Schmerzen ertragen müssen als jetzt, doch falls er jemals in seinem Leben so erschöpft gewesen war, dann hatte er vergessen, wie furchtbar es sein konnte.
    Kirian legte sich neben ihn, vielleicht eine Armlänge entfernt. So weit getrennt, wie der enge Tunnel es gestattete. Sie hatten kaum ein Wort gewechselt, seit sie sich aus der Umarmung gelöst hatten, um Kirian unnötige Qualen zu ersparen. Lys wagte nicht zu hoffen, dass dies eine Wende gewesen sein mochte. Gewiss, Kirian erinnerte sich an seinen Namen und hatte sein eigenes Leben

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