Die Saat der Finsternis (German Edition)
mussten!
„Sie stammen größtenteils von dir. Als wir uns noch nicht lange kannten, da war etwas geschehen, das dich glauben ließ, ich hätte deinen besten und ältesten Freund gefangen genommen und gefoltert, um mein politisches Ansehen zu erhöhen. Du bist in mein Lager eingebrochen, um aus mir herauszuprügeln, wo ich deinen Freund versteckt hatte. Wir waren umgeben von meinen Soldaten. Ein einziger Schrei von mir wäre dein eigenes Todesurteil gewesen.“
Lamár lauschte dem Flüstern an seiner Seite mit geschlossenen Augen. Jedes Wort trieb glühende Messer in seinen Schädel, doch er wollte nicht eines davon versäumen.
„Du hattest in dieser Sache keine große Wahl. Du musstest entweder deinem Verstand vertrauen, der dir sagte, dass du mich nicht wirklich kanntest und alles dafür sprach, dass ich deinem Freund schlimmes Leid zufüge. Oder aber deinem Herzen, das nicht daran glauben wollte. Du wärst ein Narr gewesen, nicht auf deinen Verstand zu hören. In dieser Nacht hättest du mich beinahe umgebracht. Unschuldig, denn ich hatte deinem Freund kein Haar gekrümmt. Es war alles Teil einer Lüge, eines Schauspiels, das mir zu gut gelungen war. Ich bin an Leib und Seele fast unter deinen Schlägen zugrunde gegangen … Noch heute wache ich manchmal nachts auf und sehe dich über mir, den Hass, den kalten Zorn in deinen Augen, während ich gegen das Ersticken ankämpfe.“
Lys glitt zurück in die vorherige Position und schmiegte sich erneut in seine Arme. Es linderte den Schmerz in Lamárs Kopf ein wenig. Überhaupt schien es, als würden diese Berührungen ohne Sicht, der Klang dieser Stimme, die Wahrnehmung von Lys‘ Duft unbewusste Erinnerungen wecken, die sich an der Blockade des Bewusstseins vorbeischmuggelten.
„Nachdem du die Wahrheit über deinen Freund herausgefunden hattest, bist du zurückgekehrt. Du hast mich gerettet. Du hast mich aufgefangen, bevor ich in den Abgrund stürzen konnte. Ich hatte Angst vor dir und der Gewalt, die du mir angetan hattest, aber noch viel mehr fürchtete ich, du könntest mich loslassen, denn dann wäre ich verloren gewesen. Du bist kein Monster. Du bist der Mann, den ich mehr liebe als mein eigenes Leben.“ Lys’ Stimme schwankte, die Tränen darin waren deutlich zu hören. „Wir waren Liebende, Kirian. Eine verbotene Liebe, eine ganze Welt stand zwischen uns. Das hat uns nicht aufgehalten. Dieses Gebirge, das uns beide getrennt hat, es hat mich nicht abgehalten, nach dir zu suchen. Du magst mich vergessen haben. Dein neues Leben und Schmerz, dessen Ursache ich nicht verstehe, stehen nun zwischen uns. Was Kumien mir angetan hat, es steht zwischen uns. Das alles wird mich nicht daran hindern, dich zu lieben, solange ich noch atmen kann.“ Seine Stimme brach nun endgültig, er presste sein Gesicht wieder gegen Lamárs Schulter und weinte laut schluchzend all die Tränen, die er sich so lange versagt hatte.
Aufgewühlt hielt Lamár ihn fest, streichelte hilflos über seinen Kopf, stammelte Worte des Trostes, wissend, dass Lys sie nicht hören konnte. Es war unsagbar schrecklich, mit so viel Verzweiflung geliebt zu werden und sich nicht einmal zu erinnern, ob man diese Liebe jemals erwidert hatte. Ob man verdient hatte, so geliebt zu werden. Sich an keinen einzigen Moment gemeinsamen Glücks zu erinnern, sondern nur an Gewalt und Elend. Den bloßen Anblick dieses Menschen als quälend zu empfinden. Er wusste, er konnte Lys nicht trösten, ihm keinerlei Hoffnung schenken. Also hielt er ihn einfach fest, und wartete, bis es vorbei war und Lys sich schniefend beruhigte.
„Es tut mir leid“, stieß Lys irgendwann hervor. „Ich wollte nicht …“
„Scht!“ Lamár drückte ihn an sich. „Ich will nicht, dass du dich entschuldigst. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich glaube nicht, dass irgendetwas davon deine Schuld war. Ob ich selbst schuldig bin, ich weiß es nicht. Lass uns schlafen. Wir werden mit dem Wasser hier noch einige Tage durchhalten können, bevor wir die Kraft verlieren, uns durch den Schutt zu arbeiten. Beten wir zur gütigen Mutter, dass Arkin und die anderen uns entgegenkommen! Wir müssen jetzt schlafen, damit wir weitermachen können.“
Gequält stöhnend drehte Lys seinen Kopf auf die andere Seite, brummte dann etwas, was vermutlich Zustimmung sein sollte. Stille legte sich wie ein schweres Tuch über sie, aber es dauerte noch lange, bis Lys eingeschlafen war.
Lamár lauschte den langsamen, tiefen Atemzügen seines
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