Die Saat der Finsternis (German Edition)
er es geschafft hatte, nach seinem Zusammenbruch noch einmal aufzustehen, wusste er selbst nicht. Diesen einen Stein wollte er aus dem Weg schaffen, dann war Zeit für eine Pause. Mittlerweile hatten sie nach hinten wenig Platz, das Geröll, das sie bereits abgeräumt hatten, engte sie immer mehr ein.
Hoffentlich geht uns nicht der Tunnel aus, bevor wir durch den Haufen da durch sind!, dachte er zynisch. Aber das war eigentlich nur möglich, wenn auch die Höhle davor eingestürzt war, und in diesem Fall wären Arkin und die anderen Männer alle tot und sie beide hier verloren.
Diesen Gedanken schob er rasch beiseite und quälte sich weiter ab.
„Lys?“ Kirians besorgter Ruf ließ ihn innehalten, er ertappte sich dabei, wie er lächelte.
„Ich bin hier, alles ist gut.“ Mit einem letzten Kraftakt drückte er den Stein an den Geröllhaufen und kroch dann zu Kirian zurück.
„Ich hab ein bisschen gearbeitet, das hält warm.“ Lys trank von dem Wasser, benetzte sein Gesicht damit. „Eigentlich dürfte ich gar nicht mehr frieren, soviel Dreck, wie ich am Leib habe“, fügte er hinzu und wollte sich neben Kirian setzen, doch der zog ihn stumm an sich, auf fordernde, besitzergreifende Weise. In einem kurzen Moment unkontrollierter Panik versteifte sich Lys, schmiegte sich dann aber vertrauensvoll an Kirians Körper, bevor er sich mit dem Rücken an seine Brust lehnte.
„Die anderen, sie kommen“, sagte Kirian leise. „Ich habe sie gehört.“
„Das ist gut, mir gehen die Kräfte aus.“
„Lys, sprich mit mir. Wenn wir sterben sollten in diesem Drecksloch, will ich vorher wenigstens wissen warum.“
„Ich weiß es selbst nicht. Das heißt, doch, den Grund kenne ich, bloß die genauen Umstände nicht.“ Lys biss sich auf die Lippen. Alles in ihm sträubte sich dagegen, Kirian zu offenbaren, wie sehr er versagt hatte. Was er alles geopfert hatte, um hierher zu gelangen. Was Maruv und Kirians eigener Vater getan hatten, nur um ihn, Lys, zu schwächen …
„Ich will dir nicht zu viel erzählen, also zu viel auf einmal, sonst quälen dich die Schmerzen zu sehr.“
„Weißt du, warum das so ist? Woher die Schmerzen kommen?“
„Nein. Ich wusste nicht einmal, dass du alle Erinnerungen verloren hast und ich habe keine Ahnung, ob man sie dir geraubt hat oder dies vielleicht durch einen Unfall während deiner Entführung geschehen ist.“ Plötzlich schnappte Lys nach Luft – die Kette! Die Kette der Priesterin! Sie hatte seltsame Energien besessen, der Drache war von ihr wie magisch angezogen worden … und hatte er nicht im Verlies das Gefühl gehabt, die Kette würde ihn auf irgendeine Weise mit Kirian verbinden? Ihm Kraft schenken in diesem finstersten Moment seines Lebens?
„Was ist?“, fragte Kirian unruhig.
„Möglicherweise haben die Priester etwas mit der Sache zu tun, ich weiß es nicht.“ Kirian zuckte bei dem Wort „Priester“ empfindlich zusammen.
„Die haben ganz bestimmt was damit zu tun!“, presste er hervor. Er begann zu erzählen, von allem, woran er sich erinnerte, vom ersten Aufwachen inmitten des Schneesturmes bis zu Lys’ Ankunft. Als er geendet hatte, fragte Lys nachdenklich:
„Ruquinn? Bist du sicher, dass dieser Sklavenaufseher so hieß?“
„Absolut sicher. Ich habe mit dieser Ratte noch eine Rechnung offen!“, knirschte Kirian hasserfüllt.
„Er ist tot. Ich habe ihn erschlagen“, flüsterte Lys und schloss die Augen. Es schmerzte, an Erek und Nikor zu denken …
Kirian schwieg, es war nicht zu deuten, ob er wütend oder dankbar war. Er hörte zumindest nicht auf, in langsamem Rhythmus über Lys’ Brust zu streicheln.
Schließlich seufzte er und zog Lys noch ein bisschen höher. Dabei strich seine Hand unversehens über Lys’ Geschlecht. Wie vom Blitz getroffen zuckte der zusammen, schlug im Reflex nach Kirians Hand, blieb dann schwer atmend sitzen, nach vorne zusammengesackt.
„Entschuldige!“, rief Kirian erschrocken und wollte nach ihm greifen, doch Lys wehrte ab, rappelte sich mühsam auf die Beine und lehnte sich an die Tunnelwand.
„Lys?“ Er hörte ihn hinter sich, all die Sorge und Traurigkeit in seiner Stimme.
„Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte Lys. Kirian legte ihm sanft die Hände auf die Schultern und drehte ihn zu sich um.
„Wirklich nicht? Lys, ich sehe so viel Gewalt, wenn ich mich überhaupt einmal erinnere. Sag mir, habe ich dich jemals …“
Lys legte ihm rasch die Finger an die Lippen und brachte ihn so zum
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