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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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konnte, gab es plötzlich einen Ruck, und er klatschte in eisiges Wasser. Der See! Er zappelte erschrocken, um an die Oberfläche zu gelangen, aber da wurde er bereits gepackt und hochgezogen.
    „Na, wieder wach?“ Tiko stand vor ihm im Wasser und hielt ihn fest. Kirian spürte regelrecht, wie der Junge spöttisch grinste. „Du wirst bald wünschen, wir hätten dich unten gelassen.“ Er begann, Kirians Gesicht und Arme mit einem groben Stofflappen zu bearbeiten, ohne Rücksicht auf Protest oder Schürfwunden. Jemand anderes – vermutlich Orchym – bearbeitete seinen Rücken und ging dabei auch nicht zimperlich mit ihm um. Neben sich hörte Kirian Lys wimmern, dem es genauso erging. Als der gröbste Dreck abgewaschen war und Kirian vor lauter Zähneklappern kaum noch atmen konnte, hörten die Männer endlich auf und zogen ihn aus dem Wasser.
    „Pass auf dich auf und zeig nichts von deinen … Gefühlen … für ihn!“, flüsterte Tiko ihm zu. „Wir haben euch nicht von da unten gerettet, damit ihr hier oben hingerichtet werdet!“
    Kirian nickte ihm zu. Was für einen Anblick hatten Lys und er bloß geboten, dass man sich solche Sorgen um sie machte? Er schob vorsichtig seine Binde hoch. Es war dämmrig, erkannte er rasch, er konnte es wagen, ohne sein Augenlicht zu riskieren. Zuerst war alles verschwommen, doch überraschend schnell normalisierte sich seine Sicht und er konnte zu Lys hinüberschauen. Der wurde gerade neben ihm auf eine Bahre gebettet, vor Kälte bebend und offenkundig nur halb bei Bewusstsein. Das bleiche, ausgezehrte Gesicht sah erschreckend aus: abgemagert, blau gefroren, von blutigen Schrammen und Beulen übersät. Doch es schmerzte nicht, dieses Gesicht zu sehen. Hastig presste er die Lider zusammen und wandte sich ab. Niemand sollte merken, was sich hier verändert hatte.
    Unsinnig, es zu versuchen … ich kann mich nicht von ihm fernhalten. Und er ist freiwillig in die Sklaverei gegangen, um zu mir zu kommen. Ich werde mich mit jedem Blick, mit jedem Wort verraten …

*
     
    „Wach auf, es ist alles gut!“ Irlas Stimme. Sie störte seine Albträume.
    Kirian blinzelte mühsam. Es war schmerzhaft, wach zu sein, sein gesamter Körper protestierte dagegen. Irla schien es ernst zu meinen, sie rüttelte an seiner Schulter und gab keine Ruhe, bis Kirian sie voll anblickte. Es musste Tag sein, die Hütte war fast leer.
    „So ist es recht. Du hast im Schlaf geschrien.“ Sie wollte sich abwenden, doch er packte sie ruckartig am Arm.
    „Wo ist Lys?“, flüsterte er.
    „Du meinst Erek? Ist Lys sein richtiger Name?“
    Erschrocken starrte Kirian sie an, bis sie beruhigend lächelte.
    „Ich werde vergessen, was du gesagt hast. Er liegt dort neben dir, bis jetzt ist er noch nicht aufgewacht. Er ist sehr geschwächt.“
    Kirian drehte sich mühsam um. Lys sah furchtbar aus, so bleich und eingefallen, so zerbrechlich unter all den Bandagen. So still und blass lag er da, dass Kirian unwillkürlich die Hand nach ihm ausstrecken musste, um sicher zu sein, dass er wirklich noch lebte.
    „Du siehst fast genauso aus“, sagte Irla. „Seine Kopfwunde macht mir Sorgen. Lasst uns beten, dass er es schafft. Er würde sonst Marjis mit sich nehmen.“
    Sie zeigte auf ein kleines Bündel, das neben Lys lag. Erst jetzt bemerkte Kirian die dunkelbraunen Locken, die über der Decke zu sehen waren.
    „Als wir ihr sagten, dass Erek verschüttet wurde, hat sie nicht geweint oder irgendwas gesagt. Sie hat sich einfach in die Ecke gesetzt, in der er sonst schlief, in seine Decke gewickelt und seither nicht mehr gerührt. Wir zwingen sie zu trinken, aber an Essen ist nicht zu denken und wir müssen sie wie einen Säugling wickeln. Seit gestern Mittag ist sie nicht wach geworden, sie weiß nicht, dass ihr gefunden wurdet. Ich hoffe, wenn Erek erwacht und mit ihr spricht … es müsste sehr bald geschehen.“
    „Hilf mir hoch, Irla“, bat Kirian, „und sorge dafür, dass mich in den nächsten Minuten niemand beobachtet.“
    Sie musterte ihn scharf, bevor sie stumm nickte. Auf ihr Wort hin verließen die Kinder und die beiden alten Frauen, die noch hier waren, die Hütte.
„Wir gehen Wasser holen, ein bisschen Feuerholz, und für die Kinder lasse ich mir etwas einfallen. Eine Viertelstunde, länger kann ich dir nicht geben, ohne dass die Wächter misstrauisch werden.“
    Sie schloss die Tür hinter sich, zurück blieb dämmrige Stille. Kirian beugte sich über Lys und küsste ihm sanft die Wangen, dann begann

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