Die Saat der Finsternis (German Edition)
aneinandergeschmiegt verbrachten. An diesem Abend allerdings, als die Männer aus der Mine zurückkamen und Kirian sich sofort zu Lys und Marjis setzte, sprang Tiko plötzlich hoch und baute sich mit verschränkten Armen vor ihnen auf. Er beobachtete mit finstererem Gesicht, wie Lys ein einfaches Geschicklichkeitsspiel mit Marjis beendete – er hatte sich von Irla dünne Zweige erbeten, die als Abfall beim Korbflechten übrig geblieben war, diese auf einen Haufen geschüttet und zog nun abwechselnd mit Marjis immer einen heraus, ohne die anderen dabei zu berühren.
„Was wird das hier, eine glückliche kleine Familie? Vater, Mutter und Kind?“ Tiko spuckte verächtlich aus.
Kirian fuhr wutentbrannt auf die Füße, doch eine Geste von Lys ließ ihn innehalten.
Langsam stand Lys auf und trat dicht an Tiko heran, was den Jungen verunsicherte – Lys war beinahe zwei Köpfe größer als er. Dennoch wich er nicht zurück, sondern schlug Lys trotzig vor die Brust. „Schmeckt dir die Wahrheit nicht, Lustknabe ?“
Auch Arkin und Irla standen nun, alle Sklaven sahen zu, wie Lys den Schlag gelassen erwiderte. Tiko stolperte einen Schritt zurück, ballte die Fäuste und wollte sich auf seinen Gegner stürzen, doch Lys packte ihn am Kragen und hielt ihn so auf.
„Nicht hier drinnen“, grollte er, „unnötig, die Kinder in Gefahr zu bringen, nicht wahr, Sohn ?“ Er betonte das letzte Wort so, dass die Beleidigung offenkundig war – Tiko nahm sich mehr heraus als jeder andere hier und kam damit durch, eben weil er Arkins Sohn war. „Komm nach draußen und lass uns das dort klären.“
Triumph blitzte in Tikos Augen. Er mochte deutlich kleiner als Lys sein, aber er war jetzt schon massiger, trotz seiner Jugend, und besaß von harter Arbeit gestählte Muskeln.
„Dann los, wenn du dich wirklich traust!“, rief er höhnisch und ging voraus.
Lys wollte ihm folgen. Kirian hielt ihn zurück.
„Ist das wirklich klug? Du bist von deinen Verletzungen geschwächt und wirst nicht lange durchhalten. Tiko ist stärker als du.“
„Es geht hier nicht um Kraft, um Sieg oder Niederlage“, erwiderte Lys laut genug, dass alle ihn hören konnten. „Wenn Tiko mich zusammenschlägt, ist das kein großer Gewinn für ihn, bin ich doch nur ein Liebessklave, dazu verletzt. Solange ich allerdings nicht heulend nach meiner Mutter rufe, wird das hier auf jeden Fall ein Sieg für mich, denn dann kann er nicht mehr an meinem Mut zweifeln.“
„Erek, das könnte großen Ärger mit den Wächtern geben, selbst wenn die normalerweise Duelle lieben“, warnte Arkin besorgt. „Ihr seid Pocil beide in letzter Zeit aufgefallen, das ist nicht gut!“
„Das hier muss jetzt aus der Welt“, sagte Lys fest. „Jetzt, bevor es wirklich schlimm wird.“ Er beugte sich vor und sprach nun nur noch für Kirians, Arkins und Irlas Ohren: „Tiko ist wütend, weil ich ihm seiner Meinung nach Lamár weggenommen habe. Er braucht dieses Duell.“
„Er könnte dich umbringen!“, zischte Kirian.
„Nein.“ Lys lächelte schmal. „Ich brauche dieses Duell genauso. Glaub mir, ich habe nicht vor, es zu verlieren. Ich werde möglichst versuchen, ihn nicht zu sehr zu verletzen.“
Verdutzt ließen die drei ihn gehen, als er sich an ihnen vorbeidrückte.
Ein Duell zwischen Sklaven war die einzige Gelegenheit, straflos nachts die Hütten zu verlassen. Die Wächter würden zusehen und auch dann nicht eingreifen, wenn einer der Kämpfer schwer verwundet oder getötet wurde. Alles war erlaubt in diesem Kampf; es endete, sobald einer aus dem Ring der sie umgebenden Zuschauer floh, den Sieg des anderen laut eingestand, das Bewusstsein verlor – oder das Leben.
Alle versammelten sich draußen und schlossen den Ring um Tiko und Lys. Die Wächter kamen herbeigeschlendert, in Vorfreude auf einen unterhaltsamen Kampf; doch als sie sahen, wer die Kontrahenten waren, begannen sie zu lachen.
„Nimm ihn nicht zu hart ran, Tiko, könnte immer noch sein, dass der Layn ihn zurückfordert“, warnte Mattin grinsend.
Als auch die Sklaven aus den anderen Hütten versammelt waren, beugte sich Lys zu Marjis hinab, die mit ausdrucksloser Miene zusah. Sie nickte, als er ihr etwas zuflüsterte, und drückte sich durch die Reihen der Zuschauer hindurch.
„Einen Moment noch“, bat Lys mit einem strahlenden Lächeln. „Ich muss mich rasch hübsch machen!“
Tiko schnaubte verächtlich, aber alle anderen lachten. Marjis kam zurück und streckte Lys ein Lederband entgegen,
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