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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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schwächer zu werden. Und wieder rutschte Lys weg und landete diesmal auf dem Rücken. Mit Kirian im Schlepptau, von dem er sich nicht lösen konnte, selbst, wenn er es gewollt hätte, stürzte und schlitterte er einen steilen Hang hinab. Wo er landete, spürte er nicht mehr.

*
     
    Stöhnend öffnete Lys die Augen, was so schmerzhaft war, als wären ihm die Lider festgefroren. Sofort wurde ihm bewusst, dass er sich selbst gehört hatte – wo war der allgegenwärtige Schneesturm, der jedes Geräusch übertönte?
    Über ihm spannte sich grauer, mit dichten Wolken verhangener Himmel. Keine einzige Schneeflocke.
    Als er Kirian neben sich hörte, richtete er sich hastig auf. Sie lagen beide in einer Schneewehe, umgeben von Nadelbäumen, unterhalb der Fichte, deren Stamm ihren Absturz gebremst hatte. Sie selbst hatten anscheinend den Schnee so tief herabgebracht, erkannte Lys zusammenhanglos, denn nur wenige Schritte weiter war der Boden frei von diesem weißen Todesfluch.
    Lys jaulte auf vor Schmerz, als er versuchte hochzukommen und seine Füße zu belasten. Sein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Doch er wusste, sie würden hier alle drei sterben, wenn er sich jetzt nicht bewegte, also rutschte er auf den Knien zu Kirian hinüber und nahm ihm die Bündel vom Rücken. Was sonst solch ein einfacher, rascher Griff gewesen wäre, brachte ihn diesmal fast an die Grenzen seiner Kraft. Seine Hände wollten sich nicht um die Tragegurte schließen, und als er diese endlich gepackt hatte, musste er sie noch über Kirians Kopf streifen, der schwer wie ein Felsbrocken schien. Die ganze Zeit über weigerte er sich strikt, auf Marjis zu blicken, die noch immer an ihn gebunden war. Er wollte nicht wissen, ob das Mädchen, das ihm so ans Herz gewachsen war, bereits tot war oder nicht … Als sie plötzlich zu sprechen begann, wäre Lys beinahe vor Freude gestürzt.
    „Ich hab Durst“, klagte sie leise.
    Mühsam schälte sich Lys aus all den Kleidungsstücken, mit denen er sich und Marjis vor der Kälte zu schützen versucht hatte und kämpfte mit steifen, schmerzenden Fingern darum, die Knoten zu lösen, um das Mädchen so befreien zu können. Sie zappelte und wand sich und schaffte es irgendwann, aus dem festgezurrten Tragegeschirr zu entkommen. Ihre Bewegungen waren ebenfalls steif, und als sie lief, wirkte es kraftlos und ungelenk; doch insgesamt schien sie den Ausflug in den Schneesturm überraschend gut überstanden zu haben.
    Lys hüllte sich wieder in seinen Mantel. Marjis’ Wärme fehlte, trotzdem war er froh, ihr Gewicht nicht länger tragen zu müssen, egal wie zart sie auch war.
    Nachdem Marjis etwas Schnee gelutscht und so ihren Durst gestillt hatte, kam sie zurück zu Lys, der es inzwischen geschafft hatte, die Bündel zu öffnen, ihre Wolldecken und die Ausrüstung zum Feuermachen hervorzukramen. Glücklicherweise schien alles soweit trocken geblieben zu sein.
    Ohne Aufforderung begann Marjis sofort, Holz zu suchen. Das gehörte zu den Dingen, die Sklavenkinder als Erstes lernten, um ihren Müttern bei der Arbeit zu helfen. Lys war froh, als er sah, wie geschickt sie trockene Zweige passend anordnete; dafür hätte er schlicht keine Kraft mehr gehabt. Sie schaffte es, einen Funken zu schlagen und mit dem Zunderschwamm am Leben zu halten. Er musste ihr lediglich helfen, das Feuer weiter anzufachen und hochzufüttern, bis endlich die ersten Zweige brannten.
    „Kannst du weitermachen?“, bat er sie. Als sie nickte, kroch er zu Kirian hinüber. Mit einem allerletzten gewaltsamen Kraftakt zerrte er den Bewusstlosen so nah wie nur möglich ans Feuer heran. Er wollte Marjis noch etwas sagen, vergaß aber, was das war, noch bevor er den Mund geöffnet hatte. Dann wusste er nichts mehr.

12.
     
    Kirian wachte auf, als ihm eine Rauchschwade in die Nase stieg und ihn zum Niesen brachte.
    Verwirrt betrachtete er den Wald um sich herum, den grauen Himmel, den er durch die kahlen Zweige der Bäume erkannte, das Feuer, das neben ihm prasselte, Lys, der regungslos in seinen Armen lag und Marjis, die um sie beide herumkrabbelte und sich mit einer Decke abmühte, die sie offenbar über sie ausbreiten wollte. Hatte er denn nur geträumt, dass sie im Schneesturm verloren gegangen waren? War es früher Morgen und der Anstieg zum Pass lag noch vor ihnen? Doch Kirian wusste, dass dies nicht ihr alter Lagerplatz sein konnte, und seine Gliedmaßen, die abwechselnd wie unter Tausenden von Ameisenbissen brannten und abgestorben zu

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