Die Saat der Finsternis (German Edition)
sprühen.
„Was meinst du damit?“, erwiderte Kirian mit gleichgültiger Stimme.
„Alles. Uns. Mein Intrigenspiel. Ich habe dich zurückgeholt, das bedeutet nicht, dass du bei mir bleiben musst, wenn du das nicht willst.“
„Ich werde darüber nachdenken.“ Kirian zuckte nachlässig mit den Schultern.
Lys war zu müde, um irgendetwas zu fühlen. Der lange Ritt hatte ihn erschöpft, obwohl die Tage noch so kurz waren; er war nicht mehr daran gewöhnt. Teilnahmslos beobachtete er den Funkenflug des Lagerfeuers. Zum Glück lag hier kein Schnee, sie befanden sich in einem recht warmen Gebiet von Onur.
„Es würde mir helfen, wenn du mir erzählst, wie und warum Maruv dich gefangen nehmen konnte“, sagte er schließlich. „Ob es ein Missgeschick war, eine Intrige, vielleicht sogar Verrat. Ich muss wissen, wer meine Feinde sind.“
„Ich erinnere mich nicht und habe auch keine Lust dazu.“
Lys unterdrückte einen Anfall von Jähzorn. Am liebsten würde er Kirian durchschütteln, bis dieses Etwas endlich verschwunden war, das sich in ihm breitgemacht hatte. Dieser Mann dort, der ihm gegenübersaß, war ihm fremd. Selbst als Sklave war Kirian mehr er selbst gewesen!
Beherrscht startete Lys einen letzten Versuch.
„Du musst es weiter versuchen, gib nicht auf, bitte!“
„Ich bin nicht dein Spielzeug, Lys, verstehst du? Ich bin keine deiner endlosen Intrigen. Ich kann dir nicht geben, was du haben willst, sieh es endlich ein und lass mich in Ruhe!“, brüllte Kirian, sprang unvermittelt auf, packte ihn am Kragen und riss ihn hoch. „Verstehst du mich? Ich kann es nicht und ich will es auch nicht. Und falls dieses Wissen der einzige Grund gewesen sein sollte, mich zu retten, tust du mir leid.“ Er ließ ihn los, stieß ihn dabei von sich.
Lys fühlte sich, als wäre er von einem Hammer getroffen worden. Langsam wich er vor Kirian zurück, mit jedem Schritt zerbrach er innerlich ein Stück mehr, bis ihm die Beine wegsackten und er zu Boden stürzte.
Starr blickte er zu ihm hoch, zu dem Mann, den er so sehr liebte, für den er alles riskiert und mehr gegeben hatte, als er besaß. Glaubte er wirklich, dass er es aus Berechnung getan hatte? Kirian sah auf ihn herab, mit geballten Fäusten, sein Ausdruck war nicht zu deuten.
„Ist gut“, flüsterte Lys schließlich und wandte sich von ihm ab. „Ich werde dich in Ruhe lassen. Vergib mir, ich hatte kein Recht, dich so zu bedrängen.“
„Warte, ich …“, begann Kirian und machte einen Schritt auf ihn zu, doch Lys hob hastig die Hand und winkte ihn zurück.
„Du hast recht, ich habe zu viel verlangt. Es ist schon gut. Ich bedränge dich nicht mehr.“
„Iss etwas“, sagte Kirian irgendwann in die Stille hinein. Er sah mindestens so elend aus, wie Lys sich fühlte. Warum bloß?
„Hier, iss!“
„Wozu?“, murmelte Lys und schüttelte den Kopf, als ihm Brot und Dörrfleisch angeboten wurde. „Ich will schlafen“, verkündete er dann, griff nach seiner Decke, legte sich mit mechanischen Bewegungen nieder. Er war so leer gebrannt, so müde …
Kirian beobachtete ihn, wie er sich zusammenrollte. Die Art wie Lys sich zum Schlafen auf die Seite drehte und die Beine anzog hatte er schon Hunderte Mal gesehen, er wusste es. Er erinnerte sich daran. Mit zitternden Händen strich er sich die Haare über die Schultern. Er wusste, was er Lys angetan hatte.
Es ist besser so, dachte er. Besser, es endet jetzt mit einem lauten Krach, als dass wir uns monate- und jahrelang gegenseitig zermürben. Ich kann ihm nicht geben, was er braucht. Er kann mir nicht geben, was ich brauche. Es ist besser so.
Warum schmerzte es trotzdem so sehr, als hätte er sich selbst das Herz in Stücke gerissen? Warum konnten die Zweifel in ihm nicht endlich schweigen? Und warum konnte er ihm nicht vertrauen und erzählen, woran er sich nun erinnerte?
*
„Ich gehe Holz sammeln.“ Lys wartete nicht ab, ob Kirian antworten wollte. Es waren die ersten Worte, die heute gesprochen wurden, nachdem sie beide eine schlaflose Nacht auf kalter, feuchter Erde zugebracht und den Tag über geritten waren.
Verwirrt blickte Kirian ihm nach – er hatte noch nie erlebt, dass Lys sich nicht sofort um seinen geliebten Fuchshengst kümmerte, wenn sie irgendwo Rast machten.
„Was ist mit deinem Pferd?“, rief er.
Lys drehte sich um und lächelte auf eine seltsam entrückte Weise, die jeden einzelnen Nerv in Kirian zum Glühen brachte.
„Ich bin nicht lange weg“, erwiderte er mit
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