Die Saat der Finsternis (German Edition)
setzte durch, dass ein Priester mitzureiten habe, was niemandem auffällig vorkam. Es merkte auch niemand, dass Tomar sich eine Priesterrobe überstreifte, während sich Euer Truppenführer Foryth als Burgverwalter ausgab. Fast einen Monat lang führte Elyne die Soldaten durch das Land in die Irre und steuerte all jene geheimen Lager an, die sie dank Tomar als verlassen wusste.“
„Damit konnte sie Zeit schinden, aber nicht auf ewig, so viele Lager gibt es nicht“, murmelte Lys. „Und dann?“
„Nun, tragischerweise gab es einen Überfall, bei dem die Fürstin und dazu auch noch ihr Priester entführt worden sind. Bis heute hat man nichts mehr offiziell von ihnen gehört. Die letzten Nachrichten aus Lichterfels berichten davon, dass Fürst Archym um Jahre gealtert scheint. Der Verlust seiner beiden Kinder hat ihn schwer getroffen.“ Onjerro pausierte kurz.
Kirian ballte unwillkürlich die Hände. Eine ganze Menge von Gründen fielen ihm ein, warum es ihn gar nicht bekümmerte, ob sein Vater gebrochen war oder nicht.
„Meine Schwester?“, fragte er knapp. Ihm war der beinahe heiter zu nennende Tonfall von Onjerro nicht entgangen, er sorgte sich deshalb nicht wirklich um Elyne. Es fühlte sich nur viel zu gut an zu wissen, dass er eine Schwester besaß, und es laut auszusprechen.
„Euer Freund Albor hat sie in Gewahrsam, gemeinsam mit Tomar, der Amme Anniz, Fürst Lyskirs Sohn und einigen Dutzend seiner Elitebogenschützen. Sie befinden sich augenblicklich in der Provinz Urrat, dessen Graf sich kürzlich mit Maruv überworfen hat.“
Lys atmete tief auf vor Erleichterung.
„Im Moment ist also alles in der Schwebe, weil Maruv und seine treuen Helfer warten müssen, bis sie mich für tot erklären dürfen?“, hakte er nach.
„So ist es. Der König glaubt, weiterhin die Herrschaft über Eure Burg zu besitzen. Dass seine Soldaten mittlerweile von einigen Dutzend Eurer Männer überwältigt wurden, die sich auf Tomars Geheiß als Handwerker verkleidet hatten, ist noch ein Geheimnis.“
„Ich muss also so schnell wie möglich auf die Weidenburg zurückkehren, all meine Soldaten wieder zusammenziehen und so tun, als wäre ich nur einmal mehr auf der Jagd nach dem bösartigen Sheruk Kirian gewesen und dabei ein wenig vom Weg abgekommen“, rief Lys und versuchte aufzustehen. Noch bevor er allerdings auf den Füßen stand, brach er bereits stöhnend in sich zusammen.
„Solche Eile ist nicht geboten, dass Ihr Euch nicht ausruhen könnt“, sagte Nayamé mit sanftem Spott. „Das gilt auch für Euch!“, fuhr sie Kirian an. Der war im Reflex hochgesprungen, als Lys zu Boden ging. Kirian stand zwar noch aufrecht, schwankte aber und ließ sich widerstandslos von einem Priester stützen.
„Bringt sie zurück, und wenn sie nicht in ihren Betten bleiben wollen, bindet sie fest!“, befahl Nayamé. „Sie müssen jetzt endlich rasten, sonst kann selbst die Große Mutter ihnen nicht mehr helfen!“
Kirian funkelte sie wütend an – auch wenn er ihr zustimmte, niemand würde ihn fesseln!
Zu seiner Überraschung lächelte sie und berührte ihn leicht am Arm.
„Es tut wohl, Euch wiederzusehen, junger Fürst von Lichterfels. Oh, man hat Euch geächtet und verjagt, doch Ihr seid als Fürst geboren und werdet es bis zu Eurem Tod bleiben. Ich habe als Priesterin auf Lichterfels gedient, als Ihr ein Halbwüchsiger ward, Euer Werdegang hat mich immer interessiert.“ Ihr Lächeln vertiefte sich, als Kirian mit gefurchter Stirn versuchte, sich an sie zu erinnern.
„Gebt Euch keine Mühe, Ihr habt mich damals nur als braune Kutte wahrgenommen, der Ihr ausweichen musstet, wenn sie Euch über den Weg lief. Eure Aufmerksamkeit galt damals Pferden, Schwertern … und der Erkenntnis, dass Ihr an Mädchen keinen Gefallen findet.“ Sie errötete ein wenig, was ihr ungewohnte Menschlichkeit verlieh. Kirian nutzte den Augenblick, obgleich er sich völlig zerschlagen fühlte, und beugte sich zu ihr hinab:
„Ich erinnere mich an die braune Kutte, der ich ausgewichen bin, auch wenn mir Name und Gesicht tatsächlich entfallen sind. Ich erinnere mich allerdings an die Priesterin, die mir riet, meinem Vater nichts davon zu sagen, dass ich nicht so bin, wie er es sich wünschte. Ich erinnere mich, wie sehr ich es bereuen musste, nicht auf Euch gehört zu haben. Und ich erinnere mich gut, dass Ihr bedauert habt, dass ich mich niemals für Euch würde interessieren können“, flüsterte er ihr ins Ohr. Ihr Lächeln wich
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