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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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dich rette, in der Hoffnung, dass ich mich dir wieder zuwende?“
    Lys starrte ihn mit offenem Mund an. Er wurde erst leichenblass, dann rot vor Wut. Zuletzt begann er zu zittern, sein Gesicht verschloss sich. Kirian spürte, dass er zu weit gegangen war, doch er war nicht gewillt, diese Worte zurückzunehmen. Sollte auch nur ein Hauch Wahrheit an diesem Verdacht dran sein, wäre es Lys, der hier die Grenzen überschritten hatte!
    „Fein“, sagte Lys mit unnatürlich hoher Stimme. Er taumelte leicht, fing sich mühsam und griff nach seinem Bündel, das ihm von der Schulter gerutscht war. Das Pferd schien er vergessen zu haben, er wirkte völlig desorientiert.
    „Wohin gehst du?“, fragte Kirian alarmiert.
    „Weg. Ich … weg.“ Lys wandte sich um und marschierte mit festem Schritt in die falsche Richtung los, sein Gesicht eine ausdruckslose Maske.
    Kirian eilte ihm nach und packte ihn am Arm. „Wo willst du hin?“, drängte er, zwischen Sorge und Wut schwankend.
    „Lass mich los. Ich werde mich nicht umzubringen versuchen, ich schwöre es. Das war nie mein Plan. Du brauchst mir nicht zu folgen.“ Noch immer sprach Lys mit dieser tonlosen, unnatürlich hohen Stimme, und er blickte ihn dabei nicht an.
    „Ich fragte, wohin du jetzt gehen willst!“, grollte Kirian.
    „Meine Pflicht erfüllen. König werden. All das. Lass mich los!“ Es klang nicht wütend oder ängstlich, wie er das sagte, sondern als wäre es ihm eigentlich unwichtig – und das steigerte Kirians hilflose Wut bis ins Unermessliche. Unvermittelt holte er aus und schlug Lys die Faust in den Bauch. Der junge Mann ächzte atemlos und stürzte dann zu Boden, wo er zusammengekrümmt liegen blieb.
    „Ich dachte, du bist stark“, knurrte Kirian verächtlich. „Das war wohl ein Irrtum. Wenn du die Dinge nicht manipulieren kannst, brichst du zusammen und hoffst, dass andere dich auffangen. Ist es so? Bist du so, Lys? Ein berechnender, selbstsüchtiger Schwächling?“
    Er bückte sich, versuchte ihn in die Höhe zu zerren, aber Lys ließ sich wie ein nasser Lappen hängen. Kirian hatte mit Widerstand gerechnet und fiel auf die Knie, halb auf ihn drauf. Erst jetzt hörte und sah er, dass Lys weinte, leise, als wäre er zu erschöpft, um laut schluchzen zu können.
    Dieser Anblick erschütterte Kirian zutiefst. Einen Herzschlag lang war er versucht sich abzuwenden, der Verachtung nachzugeben, die ihn von seinem Geliebten entfernte; die aus den Zweifeln gereift war. Doch er erinnerte sich mit erschreckender Klarheit an den Moment vor einigen Jahren, als er Lys beinahe zu Tode geprügelt hätte, weil er ihm nicht hatte vertrauen wollen. Warum kann ich nicht gut zu ihm sein? So gut, wie er es verdient hat?
    Er legte ihm beide Hände auf den Rücken, fühlte unbehaglich, wie Lys zusammenzuckte.
    Er fürchtet mich …
    Langsam übte er Druck aus, zwang ihn, sich umzudrehen.
    „Es tut mir leid“, flüsterte er. „Die Götter mögen wissen, warum du so an mir festhältst. Ich habe dir immer nur wehgetan, Lys.“
    „Ich kann nicht mehr, Kirian“, wisperte Lys heiser, legte dabei den Arm über sein tränenüberströmtes Gesicht. Er sah so elend aus, so verletzlich, dass es schmerzte, ihn anzusehen. „Ich habe getan, was ich konnte, um dich zu retten. Ich habe alles zurückgelassen, den Tod von zwei guten Männern hingenommen, mich versklaven und vergewaltigen lassen … und Schlimmeres.“ Er drehte sich auf die Seite, mit dem Rücken zu Kirian. „Ich dachte, es wäre richtig. Das war es nicht. Es ist vorbei. Lass mich gehen. Ich will versuchen, wenigstens für die da zu sein, die glaubten, mir vertrauen zu können.“
    „Was meinst du mit … was hat man dir angetan?“, fragte Kirian gefährlich leise.
    „Vergiss es. Es ist geschehen und es war notwendig, sonst würde ich jetzt noch im Palast des Layn festsitzen.“
    Lys versuchte sich aufzurichten. Kirian betrachtete ihn einen Moment, beobachtete die kraftlosen Bewegungen, dann packte er zu und riss ihn zu sich heran. Sofort begann Lys um sich zu schlagen, versuchte von ihm fortzukommen: „Nein! Nein! Lass mich!“, schrie er gequält.
    Kirian hielt ihn nur noch fester, bis Lys schließlich weinend zusammenbrach. Kirian konnte nichts sagen, nichts tun. Es gab keine Worte für das, was er fühlte, also hielt er ihn, aufgewühlt wie noch nie in seinem Leben. Hilflos streichelte er das elende Geschöpf in seinen Armen, überwältigt von seiner Schuld an diesem Schmerz.
    „Ich dachte, es wäre

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