Die Saat der Finsternis (German Edition)
erwiderte Kirian und verzog abschätzig das Gesicht.
„Inur hat mir erzählt, was ich Euch alles verdanke“, sagte Lys und umfasste Tomars Oberarme.
„Ich habe Euch mehrfach gesagt, dass Ihr klug in der Wahl Eurer Gefährten seid“, ließ sich eine neue Stimme von hinten vernehmen.
„Ihr seid schon hier, Lark?“, fragte Lys, doch Tomar fiel ihm ins Wort: „Ihr kennt ihn also? Gestern Abend kam er mit einer jungen Priesterin und einem Kleinkind hier an und weigerte sich strikt zu erklären, wie er hergefunden hat und was er hier eigentlich will.“
„ICH wollte ihn abmurksen, um sicher zu gehen, bloß Anniz hatte da was gegen.“ Lys wollte sich umdrehen, um Albor zu begrüßen, doch da wurde er bereits in eine Rippen brechende Umarmung gezogen. „Du hast ihn tatsächlich zurückgeholt, Kleiner“, rief der Räuber, der gar nicht erst versuchte, seine Freudentränen aufzuhalten. „Und nach allem, was der Graf von Soundso schrieb, haben deine Leute’s nich’ geschafft, auf dich aufzupassen.“ Albor ließ ihn los und trat einen halben Schritt zurück. „Versucht ham’ses aber wohl?“
Lys nickte stumm.
„Ihr seht aus, als seid ihr auf’m Bauch über die Berge zurückgekraucht“, brummte Albor kopfschüttelnd und schnappte sich nun Kirian, um ihn ebenso fest zu umarmen.
Immer mehr Räuber, Soldaten und Flüchtlinge von der Weidenburg scharten sich um sie, während sie langsam auf das Lager zuschritten und von allen Seiten begrüßt, mit Fragen überschüttet oder umarmt wurden.
„Das ist ja kein Lager, sondern ein Dorf!“, sagte Kirian, als er die Ansammlung frisch erbauter Holzhütten und die Masse an Menschen, die hier lebten, überblickte. „Wie hast du das durchgehalten, Albor?“
„Hab ich doch gar nich’. War viel zu beschäftigt, mit Tomar zu streiten.“ Albor grinste über das ganze vernarbte Gesicht, während Lys’ Hauptmann nur finster grollte.
„Herr!“ Anniz tauchte auf, mit Lynn im Arm. Es traf Lys tief, als er sah, wie sehr sein Sohn sich in den Wochen verändert hatte, die er fortgewesen war. Der kleine Junge, der die schönen dunklen Augen seiner Mutter geerbt hatte, blickte ihn scheu an und versteckte sein Gesicht dann rasch an Anniz’ Schulter.
„Das wird schon wieder, Herr“, sagte Anniz beruhigend. „Er hat Euch nicht vergessen.“
Behutsam streichelte Lys über Lynns Kopf. Wenn er bloß Zeit hätte, Zeit, sich in Ruhe um seinen Sohn zu kümmern! Vor allem, weil er Lynn eine große Schwester mitgebracht hatte und das vermutlich eine Menge Kummer bringen würde, bis der Junge gelernt hatte zu teilen …
Kaum hatte er soweit gedacht, spürte er bereits das vertraute Zupfen am Hosenbein. Er hob Marjis hoch, die ihm mit ernstem Gesichtchen die Kette entgegenstreckte, die er ihr anvertraut hatte.
„Ich habe dir von Lynn erzählt, erinnerst du dich?“, fragte er sie und streifte sich die Kette über. „Das hier ist mein Sohn.“ Marjis betrachtete Lynn, der skeptisch zurückblickte.
„Wie immer verlange ich zu viel, Anniz“, sagte Lys verlegen. „Marjis ist als Sklavin geboren, ich habe sie als Ziehtochter adoptiert. Sie ist schon etwa vier Jahre alt, auch, wenn man es ihr nicht ansieht. Wenn du …“
Anniz winkte ab und pflückte ihm das Mädchen auf ihre gewohnt direkte Art aus den Armen.
„Ich hatte früher auch mal eine Tochter“, sagte sie zu dem Kind, das sie aus großen Augen anstarrte.
Lys trat beiseite. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass Anniz’ Tochter, die bei einem Brandunglück gestorben war, heute nur wenig älter als Marjis wäre. Unsicher beobachtete er die beiden, doch Anniz schien über das zusätzliche Kind in ihrer Obhut glücklich zu sein. Ihr rundliches Gesicht strahlte und ihr Lächeln war voller Wärme. Marjis suchte seinen Blick, und als Lys ihr zunickte, entspannte sie sich ein wenig und ließ zu, dass Anniz sie mit sich nahm.
Als Lys sich umwandte, um zu sehen, wo Kirian in dem allgemeinen Trubel abgeblieben war, fand er sich plötzlich Elyne gegenüber.
„Ich würde gerne sagen, dass ich mich freue, Euch heil und gesund wiedersehen zu dürfen, aber Ihr seid augenscheinlich nicht allzu heil und von gesund will ich nicht reden, so bleich und ausgezehrt wie Ihr ausseht“, sagte sie leise. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, Lys wusste nicht, ob sie ihn immer noch so ablehnte wie früher. Auch, wenn sie bei ihren kurzen Zusammentreffen nach ihrer Rettung zugänglicher gewesen war. Beherrscht neigte den
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