Die Saat der Finsternis (German Edition)
Reittier umzubringen. Es mussten häufiger weite Umwege in Kauf genommen werden, um nicht durch feindliches Gebiet zu reiten, dennoch konnte mittlerweile Onur in fast jeder Richtung innerhalb kürzester Zeit durchquert werden.
„Der Brief stammte von Tomar. Die Weidenburg ist nach wie vor in Eurem Besitz, auch wenn die Königsflagge gehisst bleibt. Elyne und Euer Sohn sind wohlauf, soweit scheint es allen Verbündeten gut zu gehen – es herrschte allerdings allgemeines Entsetzen auf meine Nachricht, dass Ihr versklavt wurdet und weder für Euch noch Kirian große Hoffnung besteht.“
„Wenn ich die Weidenburg also besetze, wäre das eine Kriegserklärung an Maruv“, murmelte Lys. „Es würde ihm die Möglichkeit geben, uns zu vernichten.“
„Sobald du von hier aus einen Brief an ihn schickst, um zumindest ein Lebenszeichen zu geben, zwingst du ihn dazu, den nächsten Schritt tun zu müssen“, warf Kirian ein. „Und wenn du dazu schreibst, dass du nur kurzfristig die Gastfreundschaft von Sorala genießt und dich darauf freust, zur Weidenburg heimzukehren und ihn anschließend aufzusuchen, um deine lange Abwesenheit zu erklären, bringst du ihn in Verlegenheit.“
„Gewiss. Sein Angriff auf meine Burg war schließlich ein aggressiver Akt, der bei jedem anderen Krieg zur Folge hätte. Seid Ihr damit einverstanden, Inur? Ihr müsstet das Leben eines Eurer Boten riskieren.“
Der Graf winkte bloß ab. „Ich bin Euer Verbündeter, im Guten wie im Schlechten. Meine Leute sind mir ergeben. Und es gibt niemanden hier, der nicht dringend wünscht, dass die Krone endlich weitergegeben wird.“
„So sei es.“ Lys fühlte, wie Kirian nach seiner Hand griff, und wandte sich ihm zu. Nur zu gerne ließ er sich umarmen, genoss es, den Kopf an der Schulter seines Liebsten anlehnen zu dürfen. Inur störte sich nicht weiter daran, vor ihm brauchten sie sich nicht zu verstellen. Einen Augenblick der Ruhe wollte Lys sich nehmen, diese Nacht nutzen, um unter dem Schutz eines Freundes ungestört schlafen und Kraft sammeln zu können. Er wusste, sobald sie nach Urrat aufbrachen, würde ihnen so etwas nicht mehr vergönnt sein, und das für lange Zeit.
*
„Stehenbleiben!“, zischte eine Stimme hinter ihnen. „Und jetzt runter von den Gäulen, schön langsam! Wenn ihr Dummheiten versuchen wollt: Ich ziele gerade mit meinem Bogen auf euch!“
Lys blinzelte Kirian zu, der ebenso amüsiert zurückgrinste. Sie hatten beide zugleich die Stimme von Sveit erkannt, einem der Räuber aus Kirians Bande, der hier Wache stand. Lys war froh, dass sie endlich angekommen waren, nachdem sie die letzten drei Tage und Nächte fast ununterbrochen im Sattel verschiedener Pferde verbracht hatten. Dabei hatten sie sich als Boten von Sorala ausgegeben, Lys wollte seine Rückkehr so lange wie möglich geheim halten, auch vor seinen Verbündeten. Er wusste einfach noch nicht sicher genug, wie er weiter vorgehen sollte. Wem er vertrauen durfte. Langsam stiegen sie beide von den Pferden und warteten gelassen ab. Lautes Flüstern in ihren Rücken bezeugte, dass die anderen Wächter dazugekommen waren.
„Umdrehen!“, befahl eine Stimme, über die Lys sich freute.
„Links- oder rechtsherum, Tomar?“, fragte Kirian gespielt unschuldig.
„Woher kennst – nein, warte …“
Sie wandten sich beide zugleich um und zogen sich die Kapuzen ihrer von Wind und Regen mittlerweile stark mitgenommenen Umhänge von den Köpfen. Der Ausdruck fassungsloser Ungläubigkeit, der auf den Gesichtern von Sveit, Tomar und zwei Weidenburger Soldaten abgezeichnet war, entschädigte Lys für die schlaflosen Stunden.
„Herr?“ Tomar kam zögernd auf sie zu, rieb sich mehrfach über die Augen, denen er wohl nicht trauen wollte. „Das ist …Aber Inur schrieb doch …“ Er schüttelte den Kopf und stieß Sveit von der Seite an. „Hol Albor.“
Der stämmige Mann blinzelte heftig, wischte sich die aschblonden Strähnen hinter die Ohren und schritt eilig auf sie zu.
„Du hast uns Angst gemacht, Sheruk!“, rief er, umarmte Kirian, schlug Lys mit einem „Und du auch, Kleiner!“, krachend auf die Schulter und rannte dann den Weg entlang zum Lager, wo jetzt, so früh am Morgen, noch alles ruhig war.
„Wir glaubten, ihr seid beide tot, verreckt in irgendeiner Mine jenseits der Eisenberge“, sagte Tomar verstört. „Wenn ich euch nun ansehe, scheint allerdings nicht viel gefehlt zu haben.“
„Die Mine war nicht der übelste Teil an der Sache“,
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