Die Saat der Finsternis (German Edition)
„Nur bestätigt, was die drei Alten schon wussten: dass du wahrhaftig Stefár bist und dass du Lys liebst. Danach hast du sie bloß noch verspottet.“
„Du warst auch dort?“, fragte Kirian tonlos.
„Nicht freiwillig, Vater hat mich mitgeschleppt. Er wusste selbst nicht, worum es ging, in Erebos’ Botschaft, die ausdrücklich uns beide zum König zitierte, wurde lediglich angedeutet, dass es um Lys geht. Als Maruv mich fragte, ob ich von euch beiden wisse, habe ich einen Tobsuchtsanfall markiert und behauptet, dass ich auf dein Spiel eingegangen war, um möglichst rasch Königin werden zu können.“ Sie atmete tief durch, um ihre Fassung zurückzugewinnen, was ihr rasch gelang.
Eine Frau von nicht mal zwanzig Jahren sollte nicht so viel Leid durchlebt haben, dass sie gänzlich aufhört zu weinen, dachte Lys verbittert. Ein Junge wie Onkar sollte nicht vor die Wahl gestellt werden, sich totprügeln zu lassen oder ein Verräter zu sein.
Ich hasse diese Welt!
„Vater hat versucht, dich zu retten, Stefár. Er redete auf Maruv ein, dass du lebendig so viel mehr wert wärst, dass man dich als Köder missbrauchen könnte, um Lys zu stürzen, es wäre doch offensichtlich, dass Lys den Verstand verloren haben müsse. Wer nimmt sich schon den Mann zum Geliebten, der einen fast zu Tode gequält hat?“
Sie lächelte verbissen, als sie die verwirrten Blicke der Männer sah.
„Ihr müsst verzeihen, Lys, auch klügere Köpfe als Maruv hätten Schwierigkeiten gehabt zu begreifen, was Ihr in den letzten Jahren alles getan habt. Es war ein schwerer Schlag für ihn, dass Eure angebliche Suche nach Kirian, dem Schreckgespenst, reine Lüge gewesen sein soll. Dass Ihr Euch mit einem Sheruk eingelassen habt, hätte er dabei noch hingenommen, aber Stefár ist nicht irgendein Räuber, der aus der Gosse gekrochen kam. Er ist der geborene Erbe von Lichterfels. Sitzt Ihr erst einmal auf dem Thron, könnt Ihr die Ächtung leicht von ihm nehmen. Schon mit Euch war er überfordert, Maruv wusste, dass Eure Politik alles das zerstören würde, was er für richtig und gut hält. Die Vorstellung, Ihr könntet einem rachsüchtigen Mann hörig sein, den er für tot gehalten hatte, einen Mann, den er früher mindestens genauso gefürchtet hatte wie Euch, hat ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben.“
„Warum hat er mich dann nicht einfach umgebracht?“, fragte Kirian verständnislos. „Kopf ab, Problem gelöst?“
„Das wollte er. Vater hat es ihm ausgeredet. Es war sein Vorschlag, dich nach Irtrawitt zu verkaufen, mit einem Brief an den Layn, der die Zwangslage erklärt. Der Layn sollte dich möglichst am Leben belassen und achtgeben, falls Lys dir folgen sollte. In diesem Fall könne er mit euch beiden tun, was ihm beliebt, solange ihr auf der anderen Seite der Berge bleibt.“
„Unser Vater hat also dafür gesorgt, dass ich halb totgeschlagen, versklavt und in die Minen geschickt wurde?“, grollte Kirian mit einem gefährlichen Unterton.
„Er hat mir versichert, dass er hoffe, dich befreien zu können. Ich bat ihn, den Sklavenzug überfallen zu lassen, um dich dort herauszuholen und dich anschließend im Ausland zu verstecken, aber das war ihm zu riskant.“
„Und wer hat veranlasst, dass die Priester ihm die Erinnerungen genommen haben?“, fuhr Lys dazwischen, der spürte, wie es in Kirian arbeitete.
„Ich.“ Elyne ließ den Kopf hängen, um die Tränen zu verbergen, die nun doch flossen. „Maruv wollte dich entmannen lassen, um dir die Wildheit zu nehmen, wie er es nannte, und Vater hat nichts getan, um das abzuwenden, obwohl man ihm ansah, dass er sich lieber selbst verstümmeln würde. Ich habe die Priester in Purna angefleht, irgendetwas zu tun, um das zu verhindern. Sie fragten, ob ich mit den Konsequenzen leben könnte und ich sagte ja, ohne zu wissen, was das bedeuten würde. Daraufhin gingen sie zu Vater – der weiß nichts von meiner Rolle hierbei – und haben ihm dieses Ritual vorgeschlagen, dessen Sinn ich nicht begriffen hatte. Wie Vater es geschafft hat, Maruv zu überzeugen, der die Priester doch allesamt hasst, weiß ich nicht.“
Schweigen senkte sich über den Platz. Lys wurde bewusst, wie viele Menschen nun bereits in sämtliche Geheimnisse eingeweiht waren. Zu viele, um jedem Einzelnen vertrauen zu können. Verrat hatte so viele Gesichter … Wer garantierte ihm, dass all seine Soldaten treu zu ihm stehen würden, wenn Maruv mit Gold locken sollte? Vielleicht waren die Räuber es satt, zu
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