Die Saat der Finsternis (German Edition)
überrascht, dass du dieses Duell wirklich angenommen hast“, sagte Maruv, sobald sie einander nahe genug für ein Gespräch gegenüberstanden. „Zuerst dachte ich, man hätte dich in Irtrawitt zerbrochen, sodass du froh über einen leichten Weg in den Tod bist. Doch danach siehst du nicht aus.“
„Es täuscht, mein König“, erwiderte Lys und verneigte sich respektvoll vor seinem Gegner. Maruv beließ es bei einem flüchtigen Kopfnicken. „Ich bin zerbrochen, erschöpft und bereit, mit meinem Tod zumindest meinen Sohn beschützen zu können.“
„Elyne ist auf unserer Seite“, versetzte Maruv mit sanfter Stimme, bevor er das Schwert hob. Man sah ihm an seinem aschfahlen, eingefallenen Gesicht an, wie viel Kraft es ihn mit seinen arthritischen Händen kostete, diese schwere Waffe zu halten. Er war wahrhaftig ein schwerkranker Mann, der nur noch wenige Monate zu leben gehabt hätte. „Du wirst alles verlieren, dein Leiden, dein wahnhaftes Streben, alles umsonst. Und nun töte einen König! Du brauchst dich nicht anzustrengen, mir einen raschen Tod zu gewähren, einige Momente Schmerz mehr oder weniger machen keinen Unterschied.“ Er holte aus, gleichzeitig schlug Lys zu. Maruv sackte röchelnd zu Boden.
Sofort kniete Lys neben ihm und ergriff seine Hand.
„Ich hatte gedacht, es würde einige Schläge länger dauern“, flüsterte er sanft, „ich bin um euretwillen froh. Auch wenn ich Euch hasse, das rasche Ende ohne allzu viel Schmerz ist besser für Euch.“ Maruv versuchte etwas zu erwidern, sich von ihm zu befreien. Doch Lys hielt die Hand des Sterbenden eisern fest, drehte ihn sogar ein wenig auf die Seite, um ihm die letzten Atemzüge zu erleichtern. Es war seine Rache, und er genoss jeden Moment davon: Maruv musste hinnehmen, dass sein Feind ihm Gnade und Sterbegeleit erwies, statt ihn einfach am Boden verrecken zu lassen. Lys wusste genau, dass der König ihn dafür mit jedem bisschen Kraft, das er noch hatte, hasste und verabscheute. Er sah es in den Augen, die vor Zorn sprühten über diese Gnade, die er nicht wollte. Das hagere, von Alter und schwerer Krankheit gezeichnete Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze, er versuchte sich von Lys zu befreien, während er blau anlief. Nach Luft schnappend ging er im Todeskampf unter, krampfte sich zusammen, die Finger der freien Hand krallten sich in seine Brust.
Dann war es vorbei.
Lys blickte auf Maruvs hingestreckten Körper. Im Tod wirkte der alte Mann zufriedener, als er ihn jemals im Leben gesehen hatte. Schmerz und Verbitterung waren verschwunden. Er betete zu den Göttern, Maruv den Frieden zu gönnen, den Lys ihm in den letzten Momenten verweigert hatte.
„So ruhet in Ewigkeit, mein König“, flüsterte Lys und schloss die Augen des Mannes, der ihm nun nicht mehr länger ein Feind war. Er hüllte ihn in seinen Umhang, hob ihn mühsam hoch und trug ihn zu dem Königszelt hinüber, das unweit von hier errichtet worden war. Niemand hinderte ihn, selbst die königlichen Gardisten ließen ihn anstandslos passieren. Er spürte Kirian hinter sich und lächelte ihm rasch zu.
„Niemand außer den Fürsten von Lichterfels und Corlin dürfen passieren, es sei denn, es wird von mir persönlich etwas anderes befohlen“, herrschte er die Zeltwachen an, die kurz aussahen, als würden sie ihm den Zutritt verweigern wollen.
„Weg mit euch!“, kam ein harscher Befehl von unerwarteter Seite. Dorian, der Hauptmann der Garde von Corlin, baute sich vor den Gardisten auf. Hastig gehorchten die Männer und ließen Lys durch.
„Ich sorge dafür, dass niemand ohne Befugnis Euch und Euren Gefährten stören wird“, sagte der alte Waffenmeister ernst. Sein Blick sprach von Stolz auf seinen einstigen Schüler, was Lys vor Verlegenheit erröten ließ, so irrwitzig das in solch einem Moment auch sein mochte.
Lys legte den Leichnam respektvoll zu Boden, nahm dabei den Umhang fort, sodass er wieder unverhüllt dalag, während Kirian sich unauffällig in eine Ecke verzog.
„Warum sehe ich keine Wunde? Wo ist das Blut?“, erklang Archyms Stimme hinter ihm.
Lys blickte hoch, er hatte nicht bemerkt, dass der Fürst lautlos neben ihn getreten war. Hinter ihm stand Erebos, sein Vater. Er schien in der letzten Viertelstunde um zehn Jahre gealtert zu sein, müde und grau im Gesicht starrte er auf Lys herab, sah nur kurz auf Maruvs Leiche, dann irrten seine Augen wieder zu seinem Sohn.
„Ich habe ihn nicht getötet“, sagte Lys und erhob sich
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