Die Saat Der Makellosen
Warum passierte das immer ihm? Er sollte sich einen anderen Job suchen...Modelscout oder so was. Da war die schlimmste Gefahr, dass eines seiner Schützlinge an dem Mix aus Wattebäuschen mit Orangensaft erstickte, den sie jeden Morgen frühstückten, um die schlanke Linie zu halten.
Ein Tod in den Flammen bei vollem Bewusstsein war noch schlimmer als Ertrinken. Es war grausam und nicht vorstellbar.
„Hier teleportiert sich niemand irgendwohin. Das Haus kann jeden Moment einstürzen. Und selbst wenn ich es könnte und die Betonung liegt hier wirklich auf könnte , Lady, würde ich es niemals wieder hinausschaffen. Suchen Sie sich jemand anders, der die Enterprise-Nummer für Sie abzieht, okay? Aber nicht in meinem Revier! Da oben ist niemand mehr und dabei bleibe ich. Treten Sie jetzt bitte zurück! - Mam, zurück! Oder ich lasse Sie von der Polizei wegen Behinderung meiner Arbeit in Gewahrsam nehmen.“
Sie ließ ihn tatsächlich los. Sie sah ihn ungläubig an, als könnte sie nicht fassen, dass er nein gesagt hatte. Ein richtiges nein, nicht nur ein vielleicht und unter Umständen eine Möglichkeit für die Wahrheit in ihren Worten offen lassend. Er glaubte ihr nicht. Für das Baby würde jede Hilfe genauso spät kommen wie für die Mutter. Damon bekam ein schlechtes Gewissen. Was war schon dabei? Er würde binnen Bruchteilen von Sekunden wieder draußen sein, sofern ihre Story nicht stimmte. Warum zögerte er?
„Lady, es ist einfach zu gefährlich!“
Damon sah sich nach links und rechts um. Das Chaos am Einsatzort (eines, das eigentlich nie ausgebrochen war, aber Feuer brachte immer Zerstörung und Chaos mit sich, anders ließ es sich nicht beschreiben) war unter Kontrolle, jeder Mann an seinem Platz. Das Wasser lief in Strömen und alle Bewohner waren hier unten auf der Straße. Damon blickte nach oben direkt in die Flammen. Es konnte niemand mehr dort sein. Das war einfach unmöglich.
Das flehende Bitten der Frau, deren Gedanken wieder und wieder in seinen Ohren dröhnten, wollte ihm allerdings keine Ruhe lassen. Sie nickte, als würde sie ihn verstehen und im nächsten Moment sah sie so aus, als würde sie ihn gleich mit tränenfeuchten Augen anbetteln, es doch wenigstens zu versuchen.
Nico sandte mentale Bitten an ihn, die er bestimmt hören würde. Sie war sich nicht zu schade, vor ihm auf die Knie zu gehen, wenn es das war, was ihn am Ende überzeugen würde. Auf Mélusinas Einschätzung der Situation konnte sie sich verlassen, das Baby lebte… noch .
Ihre Augen brannten von dem Rauch und füllten sich deshalb mit Tränen, sie konnte gar nichts dagegen machen. Sie weinte sonst nicht, um ihren Willen durchzusetzen. Es passierte ihr nur nach anstrengenden spirituellen Sitzungen, dass sie Tränen nicht zurückhalten konnte. Das letzte Mal im Dezember, als sie in den Armen ihres Vaters zusammengebrochen war, weil sie diese schrecklichen Bilder gesehen hatte, und der Abschied von ihrem alten Leben so kurz bevor stand.
Und vorhin kurz, als sie sich allein in ihrem Bad gewähnt hatte, weil der Druck, den sie von der Arbeit mit nach Hause brachte, raus musste. Trotz allem Wissen um die Zerbrechlichkeit des Lebens dachte sie manchmal, dass sie kläglich versagt hatte, wenn eines „ihrer“ Kinder starb.
-Bitte! Helfen Sie dem Baby! Bitte!-, bat Nico in Gedanken.
Damon sah höchst verunsichert drein. Diese Art von Gefühlsausschüttung war nicht gespielt und kein Versuch, ihn zu einem gefährlichen Abenteuer zu überreden, weil ihr seine Uniform so gut gefiel. Da oben war tatsächlich noch jemand. Sein ganzer Körper versteifte sich, sein Gesicht verkrampfte sich zu einem Ausdruck des immer noch zweifelnden Zögerns und dann war er ganz plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Verschwunden. Einfach so.
Die wenigen, die es neben der jungen Frau mitbekommen hatten, blinzelten und dachten wegen der Hitzewelle, die folgte, als ein Teil der Mauer des Gebäudes plötzlich wegfiel und auf dem großflächig abgesperrten Bürgersteig vor den Füßen der Feuerwehrmänner zerschellte, an eine Fata Morgana. Weitere Einsatzfahrzeuge, die Damon zur Verstärkung angefordert hatte, erreichten die Brandstelle und lenkten die Schaulustigen erfolgreich ab.
Nico schnappte nach Luft, als er plötzlich vor ihren Augen verschwand und sich in Nichts auflöste. Die Luft flirrte vor ihren Augen, was man aber auch der Hitze zuschreiben konnte. Sie taumelte gegen die Person hinter sich, als die Mauer des Hauses einstürzte
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