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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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hinter Jasmin her.
    »Was gibt’s?«
    Sie lächelt nicht. Sie lächelt eigentlich nie. »Wir brauchen noch einen für die Lieferung da drüben.«
    Bastian nickt nur und schlurft in die nächste Reihe. Statt Reis also jetzt Knabberzeug für die Abende vor der Glotze, für Kids ohne Mittagessen … Zwei mannshohe Paletten mit Chipstüten warten darauf, entladen und eingeräumt zu werden.
    »Die andere Sorte raus, die Chips von Latté rein«, befiehlt Jasmin und geht an ihr klingelndes Telefon.
    Tortilla-Chips! Bastian hat Hunger, vor drei Stunden hat er eine Cola getrunken, das war’s. Gleich wird ganz zufällig eine Tüte auf den Boden fallen und aufplatzen. Bestimmt. Er muss schon wieder gähnen. Was für ein Leben …

    Zwei Stunden später trabt er mit drei Tüten Tortilla-Chips, zwei Tüten Popcorn und zwei Flaschen Coke zur S-Bahn-Station Südbahnhof. Halb neun abends. Er gähnt, zwei Stunden hat er für die bescheuerten Chips gebraucht. Eine halbe Stunde länger. Drei Euro fünfzig. Ein Witz. Es ist alles so sinnlos.
    Er nimmt die S 3 bis zur Konstablerwache. Er will nur nocheine DVD ansehen, so lange, bis er den Tag vergessen hat und zu müde ist, um an den nächsten Tag zu denken. Am liebsten auf der Couch einpennen und nie wieder aufstehen müssen. Das Leben ist beschissen. Morgen früh Berufsschule. Morgen Abend wieder Supermarkt. Und übermorgen dasselbe, und überübermorgen auch. Und Nele meldet sich nicht. Keine SMS. Er schreibt ihr auch nicht mehr. Was soll sie auch mit einem Typen, der abends nie Zeit hat?
    Noch in der U-Bahn reißt er die Tüte auf, schraubt die Coke auf, legt die Tüte auf den Schoß und dann immer ein Schluck Coke, ein Chip, ein Schluck Coke, ein Chip. Macht Laune. Sollen die zwei alten Zicken gegenüber doch glotzen. Sind nur neidisch, weil er Chips isst.
    Hoffentlich muss er nicht zu lange auf die U6 zum Kirchplatz warten.
2  
Paris
    Als Ethan die Tür aufschließt, weicht er zurück. Die Wohnung ist kalt, ungeheizt – und es fehlt etwas, eine Seele, das Leben. Er fröstelt und schlingt sich den Schal, der an der Garderobe hängt, um den Hals. Camille folgt ihm durch den Flur, bleibt hinter ihm stehen, als er die Schranktür öffnet und aus der untersten Schublade, unter den Schals – seinen und Sylvies –, die SIG Sauer und zwei Magazine, die Zouzou ihm mit verkauft hat, hervorzieht.
    »Passen Sie auf!«, hört er sie hinter sich sagen. »Damit will ich nichts zu tun haben!«
    »Es ist ja nicht Ihre.« Mit dem Lauf nach unten steckt er sie hinten in den Hosenbund. Er fühlt sich, als wären in Tromsø auch seine Emotionen verbrannt, als wäre er eine ausgebrannte, verkohlte Hülle …
    Aus dem obersten Fach zieht er die große brauneLedertasche, die Sylvie mit Sarah gekauft hat, erinnert er sich, wirft die H&M-Tüte mit den Einkäufen hinein, legt zwei Hosen, zwei Hemden und zwei Pullis aus dem Schrank dazu, steckt noch ein Paar Schuhe in die Außentasche. Sachen zum Waschen würden sie im Hotel haben. Sein Notebook war nicht in seinem Hotelzimmer in Tromsø, hat Lejeunes Assistent ihm gestern telefonisch mitgeteilt. Er weiß nicht, ob er ihm glauben soll. Lejeune jedenfalls traut er nicht.
    »Trotzdem, haben Sie überlegt, dass Sie im Gefängnis landen können?«, unterbricht sie seine Gedanken.
    Früher hätte er sich gleich verpflichtet gefühlt, sich für ihre Besorgnis zu bedanken, jetzt erwidert er nur: »Brauchen Sie das für Ihre Story?«
    »Darum geht es nicht.« Mit ihren hohen Absätzen ist sie genauso groß wie er.
    »Doch. Genau darum geht es. Um Ihre Story.«
    Ihre Blicke kreuzen sich, und einen Moment stehen sie so da, bis sie sagt: »Und um Ihre Rache, oder?«

    Das schrille Klingeln lässt ihn hochschrecken. Er beschließt, nicht zu öffnen, obwohl ihn diese Camille fragend ansieht. Das Klingeln wiederholt sich nicht. Ungewöhnlich, dass jemand so schnell aufgibt. Er wartet, lauscht, schließlich glaubt er zu hören, wie Schritte sich entfernen.
    »Wer war das?«, flüstert sie.
    »Keine Ahnung.«
    Dann fällt ihm ein, dass er unbedingt Mathilde anrufen muss. Er nimmt das Telefon von der Station auf der Kommode unter dem Spiegel. Rasch wendet er den Blick ab von diesem unrasierten, auf einer Seite rot verbrannten Gesicht. Nur der Anrufbeantworter meldet sich, und er hinterlässt eine Nachricht mit der Bitte, sie soll ihn auf seinem Handy zurückrufen.
    »Mathilde ist Sylvies Mutter?«, fragt sie.
    »Ja.« Mehr muss er ihr nicht sagen. Jedenfalls jetzt

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