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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Leben. Dass der brombeerfarbene Kleinwagen immer noch auf der anderen Straßenseite parkt, wundert ihn fast. Es kommt ihm vor, als hätte sich die Welt verändert. Alles ist kälter, grauer – und gleichgültiger geworden. In ihm dehnt sich eine Leere aus, bis sie ihn schließlich ganz ausfüllt. Du musst die Polizei anrufen, sagt sein Gewissen. Aber er braucht Vorsprung. Der Mann ist tot, und das ist er auch morgen noch. Womöglich wird die Polizei sowieso zu seiner Wohnung fahren, nachdem er aus dem Krankenzimmer verschwunden ist. Seine Kaltblütigkeit erstaunt ihn. Nein, sie erstaunt ihn nicht, sie erschreckt ihn. Er sucht im Handy des Toten nach der letzten Nummer, die angerufen hat. Es ist auch eine Mobilfunknummer – 91 663 67 56. Er ruft an. Es wird abgenommen. Kein »Hallo«, kein »Ja Bitte«. Erwartet. Nichts. Auf der anderen Seite wird aufgelegt. War das der Auftraggeber?

    Schweigend rangiert Camille aus der Parklücke, stößt zweimal an das hintere Auto, aber das ist ihr jetzt egal. Ihr ist übel, und sie zittert am ganzen Körper.
    »Sie haben das wirklich gut gemacht!«
    Sie sieht kurz zu ihm hinüber, er ist abwesend, denkt an irgendetwas. Vielleicht steht er ja auch unter Schock. »So, und was haben Sie jetzt vor?«, fragt sie an der ersten roten Ampel und dreht sich zu ihm.
    »Wir hatten einen Deal.«
    Die typisch coole Antwort, die sie von ihm erwartet hat.
    »Ja, bevor Sie den Mann erschossen haben«, gibt sie zurück.
    »Es war derselbe, der mich schon in der Klinik umbringen wollte«, sagt er ruhig.
    »Er hatte jedenfalls keine Pistole.«
    »Er hätte mich vom Balkon geworfen, und man hätte behauptet, es wäre Selbstmord gewesen.«
    »Sie haben wohl auf alles eine Antwort parat.«
    Unglaublich! Er sieht einfach weiter aus dem Fenster, als wäre er auf einer Stadtrundfahrt! Ich könnte jetzt anhalten und ihn rausschmeißen.
    »Dass eins klar ist«, sagt sie und tritt an der nächsten roten Ampel abrupt auf die Bremse. Wenigstens sieht er sie jetzt an. »Auf diese Tour brauchen Sie mir nicht zu kommen, wenn Sie mit mir zusammenarbeiten wollen.«
    Seine Augen sind tatsächlich blau.
    »Sie, Madame Vernet, haben etwas vergessen: Sie wollten mit mir zusammenarbeiten. Sie sind zu mir gekommen.« Er deutet nach vorn. »Die Ampel.«
    Madame Vernet!
    Grün. Rasch schaltet sie in den ersten Gang und fährt an. Er hat recht, auch wenn sie sich über ihn ärgert.
    »Gut. Eine Bedingung«, sagt sie.
    »Sie wollen eine Bedingung stellen?«
    »Korrekt. Denn ich habe Sie gerade gerettet.«
    »Gerettet?«
    »Ja, Sie sitzen in meinem Auto.«
    Er sieht wieder aus dem Seitenfenster, als hätte er keine Empfindungen mehr. »Und die Bedingung?«
    »Sie nennen mich nie mehr Madame Vernet und …«
    »Sie haben gesagt, eine Bedingung.«
    Dazu hätte ein Lächeln gut gepasst. »Herrgott, Sie sind ja schlimmer als ein Buchhalter! Sie rufen jetzt die Polizei an und melden den Toten in Ihrer Wohnung. Es war Notwehr.« Sie will nicht mehr darüber nachdenken.
    »Wenn er keine Waffe hatte, kann ich schwer beweisen, dass er mich umbringen wollte«, wendet er ein.
    »Sie könnten ihn mit seiner erschossen haben. Dann haben Sie sich in Sicherheit gebracht. Man muss uns glauben. Ich bin Zeugin! Haben Sie einen Anwalt?«
    »Ja.«
    »Dann rufen Sie ihn an. Erklären Sie ihm, was passiert ist.«
    Immer noch sieht er aus dem Fenster, als würde ihn das alles gar nichts angehen, als hätte gerade jemand anders einen Menschen erschossen. Abrupt dreht er sich zu ihr. »Wohin fahren Sie?«
    »In die Redaktion.«
    »Ich wollte keinen mehr mit reinziehen.«
    »Tja, das ist Ihnen ja wunderbar geglückt.« Sie klingt schon genauso polemisch wie ihre Schwester oder ihr Vater. Mein Vater! Mein Gott, ich wollte doch anrufen, während der Pflegedienst da war!
    »Halt!«
    Sie erschrickt.
    »Nicht in die Redaktion, fahren Sie mich zu meinem Anwalt.«
    »Sie wollen also doch …«
    Er schüttelt den Kopf. »Er bewahrt etwas für mich auf.«
    Sie setzt zu einer Frage an, doch er sagt: »Fahren Sie mich einfach hin, okay?«
    »Wollten wir nicht zusammenarbeiten?«
    »Und Sie wollen eine Story.«
    »Ich hab Sie mir anders vorgestellt.«
    »So?«
    »Ja, einfühlsamer.«
    »Sie haben mich zu spät kennengelernt«, sagt er und sieht wieder auf die Straße.
3
    Camilles Wagen ist nicht mehr da. Er sieht die Straße hinauf und hinunter und entdeckt dann den brombeerfarbenen Kleinwagen auf der gegenüberliegenden Seite. Schon als er die Straße

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