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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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wenn er sich bei Ihnen meldet, rufen Sie mich umgehend an, ja?«
    Anschließend trägt sie David auf, die Flughäfen zu verständigen. Sie darf nicht noch einen Fehler machen. Nein, wirklich nicht.
9
    Camille lehnt sich auf ihrem Fensterplatz zurück und schließt die Augen. Sie weiß nicht mehr, worauf das alles hinausläuft. Véronique Regnard wird inzwischen künstlich ernährt und spricht mit niemandem mehr. Jeder Versuch, sie ans Telefon zu bekommen, ist gescheitert. Ihr Vater versinkt inDepressionen. Sie hat ihn heute Morgen noch für zehn Minuten besucht. Nachdem sie Ethan mit einer Tasse Kaffee geweckt hat – auf ihrer Couch, und nachdem sie ihm gesagt hat: »Ich fliege mit.«
    Am Flughafenschalter der Spanair hat sie es wiederholt, und wieder hat er so getan, als hätte er es nicht gehört. Erst als sie gefragt hat, ob er ihren Deal vergessen hätte, hat er den Kopf geschüttelt. »Ich nicht, aber ich dachte, Sie.«
    Viel mehr hat er seitdem nicht gesprochen, auch jetzt blättert er schweigend im Airline-Magazin. Noch vier Stunden bis nach Málaga. Zwischenlandung in Madrid.
    Sich vorzustellen, dass er seine Rüstung ablegt und einem anderen Menschen vertrauensvoll und zärtlich begegnet, fällt ihr schwer. Vielleicht kann er es nur in seinen Büchern, wenn er sich hinter seinen Figuren verstecken kann. Vielleicht ist er ja gar nicht der starke Typ, für den ihn die anderen halten sollen. Und wenn Sylvie jemand war, die sich nicht öffnete?
    »Hat Sylvie eigentlich Ihre Bücher gelesen?«
    Überrascht lässt er die Zeitschrift sinken. »Die letzten beiden nicht.«
    »Warum nicht? War es nicht ihr Geschmack?«
    »Wieso fragen Sie mich das?«
    Mein Gott, er könnte etwas netter sein. »Es interessiert mich, wie man mit jemandem lebt, der seine tiefsten Gedanken und Gefühle der Öffentlichkeit anvertraut.«
    »Ich schreibe Fiktion«, sagt er belehrend.
    »Klar.« Blödmann. Schon hat er die Zeitschrift wieder hochgenommen. Angst vor Gefühlen. Offenheit. Ehrlichkeit. Das Übliche. Dabei hat sie gedacht, ein Schriftsteller wäre anders. Aber er ist auch nur ein Mensch – und ein Mann.
    »Meine Bücher haben sie verunsichert«, sagt er unvermittelt.
    Verwundert über seine unerwartete Antwort sieht sie zu ihm hinüber. »Warum?«
    Er betrachtet seine Fingernägel, sie weiß, warum, damit er ihr nicht in die Augen sehen muss. »Sie hat darin eine unbekannte Seite von mir entdeckt. Die hat ihr Angst gemacht.« Erst jetzt sieht er auf. Erwartet Verständnis, ein Nicken, ein einfühlsames Lächeln.
    Als sie ihre Mutter zum ersten Mal betrunken erlebt hat, hat sie sich auch gefürchtet. Dabei war ihre Mutter nicht gewalttätig, sondern einfach nur übertrieben fröhlich, aufgedreht, sie torkelte und lallte.
    »Und welche Seite ist das?«, fragt sie weiter.
    Er holt Luft und wendet den Blick ab. »Sie wissen nicht, welche Abgründe es in mir gibt.«
    Als ob nur er das Recht auf Abgründe hat! »Sie vergessen, dass ich dabei war, als Sie den Typen in Ihrer Wohnung erschossen haben«, erinnert sie ihn. Die Blutspuren an der Wand … die leeren Augen … der starre Blick …
    »Stimmt«, brummt er, »hatte ich vergessen.«
    Er tut nur so, als wäre er der harte Kerl. Er ist es nicht.
    Als sie ihre Hand auf seinem Unterarm liegen sieht, zieht sie sie weg. Reflex. Sie hat ihn noch nie angefasst.
    »Es war Notwehr …«, hört sie sich sagen.
    »Sie müssen nichts beschönigen!«, fährt er sie an. »Ich hab den Überblick über all die Toten verloren!«
    Die Frau neben ihm am Gang hat sich umgedreht.
    »Mein Gott, was ist das für eine verdammte Geschichte!«, sagt er nun leiser. »Warum, zum Teufel, hat sich Sylvie da reingehängt? Sie hatte verflucht noch mal genug in der Klinik zu tun! Und, ja, Sie haben mich daran erinnert: Sie hätte meine Bücher lesen sollen, wir hätten uns Zeit für uns …« Er bricht ab, schüttelt den Kopf. »Sie können ja nichts dafür.«
    Sie drückt seine Hand, instinktiv, bevor sie darüber nachdenken kann, ob er es falsch auffassen könnte. Falsch? Er merkt nicht, dass sie ihm gerne näherkommen würde.
10  
Málaga
    Hunderte von Augen blicken ihm entgegen, als sich die Tür zur Empfangshalle automatisch aufschiebt. Sein Adrenalin lässt das Herz heftig pumpen und presst den Schweiß aus allen Poren. Keine Panik. Da ist niemand, der mit einer Waffe auf dich zielt. Niemand, der dich ermorden will. Denn niemand weiß, dass du kommst.
    Nur wenige Minuten ist er im Flugzeug eingenickt,

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