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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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wirft seinen Oberkörper dagegen, ein Mal, zwei Mal, beim dritten Mal springt sie auf, er schlägt mit der Seite auf steinigem Boden auf. Er kriecht hinaus und macht sich an der Hintertür zu schaffen. Camilles Kopf ist zur Seite gekippt. Der Airbag verdeckt ihr Gesicht. Nein, nicht auch noch Camille … Er zieht und zerrt und fliegt rückwärts in den Staub, als die Tür nachgibt. Er löst den Sicherheitsgurt, zieht ihren Körperheraus, der sich warm anfühlt, aber das muss nichts bedeuten. Sie kommen. Über dem Dach kann er gerade noch erkennen, wie ein Schatten über die Leitplanke springt. Weg, sie müssen weg …
    Der Lichtkegel einer Taschenlampe gleitet die Böschung hinunter, kommt näher. Er packt Camille unter den Achseln und zieht sie vom Auto weg, hinter einen Geröllhügel, dann weiter, er versucht, in der grauen, konturlosen Dunkelheit etwas zu erkennen, hinter ihm ist eine Kante, auf dem Rand stehen einzelne Bäume, wahrscheinlich Pinien. Das Irren des Lichts hat aufgehört: Wahrscheinlich haben sie den Wagen erreicht. In wenigen Sekunden werden sie die geöffneten Türen entdeckt haben und gleich darauf die Schleifspuren. Der Abgrund hinter ihm ist das weggebrochene Ufer eines Flussbetts, jetzt ist es ausgetrocknet, erkennt er und zerrt Camilles Körper immer weiter, bis hinter einen der großen Felsbrocken. Er holt Luft, weiß, dass sie hier nicht bleiben können, dass man sie jeden Moment gefunden hat.
    »Ethan, sind wir tot?«
    Beinahe hätte er gelacht. Als wenn sich die Anspannung entlädt.
    »Nein, aber wir müssen weg, kannst du laufen?« Er hilft ihr, sich aufzurichten. Airbag und Gurt haben eine Verletzung verhindert, wie es scheint.
    »Verfluchte Scheiße«, murmelt sie und greift sich an den Kopf, während sie sich mit der anderen Hand auf seine Schulter stützt.
    Ein Fluss, der die Straße kreuzt – der muss ja irgendwo unter der Straße hindurch. »Da rüber«, flüstert er. Es muss eine Unterführung, vielleicht einen Tunnel auf die andere Seite geben.
    »Und dann?«
    Er gibt keine Antwort. So weit sind wir noch nicht. Nicht zu weit vorausdenken, sonst vergisst man den ersten Schritt.
    »Los, lauf!«
    Der Lichtkegel der Taschenlampe bewegt sich wieder. Gleich haben auch sie das Flussbett entdeckt.
    »Verfolgen die uns?«
    Er bedeutet ihr zu schweigen und zieht sie hinter sich her, die großen Felsen als Deckung nutzend, immer weiter zur Straße zurück. Sie stolpert, ein Reflex drückt seine Hand fester um ihre, als könnte er so verhindern, dass sie fällt. Der Tunnel, da ist er! Ein schwarzes Loch, dreißig Meter vor ihnen, zwanzig, vielleicht sogar noch weniger. Und wenn es keinen Ausgang gibt?
    Er geht weiter, immer weiter auf die unbekannte Schwärze zu. Er fröstelt, zittert, es ist schrecklich kalt, wieso auf einmal? Der Stress, der Schock. Camille? Sagt sie etwas? Der Verkehrslärm verschluckt ihre Stimme. Er geht weiter. Sich nicht hinreißen lassen, keine Gefühle zeigen. Nicht jetzt. Wie ein Sog zieht ihn die Dunkelheit des Tunnels an, ein Ort der Katharsis? Der Reinigung? Der Wiedergeburt? Ist da nicht ein weißes, ein reines, helles Licht in der Mitte der Schwärze, ein Schein, der immer größer und strahlender wird?
    »Mein Gott!«, hört er eine Stimme, dann erfüllt ihn eine wunderbare Wärme, als würde er in einen warmen Schoß sinken.

    Der Blackout hat nur Sekunden gedauert, Camille scheint noch nicht einmal etwas bemerkt zu haben. Dennoch hat er Ethan eine tiefere Einsicht gebracht. Sein Rachegedanke ist ad absurdum geführt, weil jeder seiner Schritte, Sylvies Tod aufzuklären und zu rächen, immer mehr Leben fordert, und die Botschaft, die er daraus ziehen soll, heißt: Nimm Vernunft an, und gib auf, akzeptiere das Schicksal, und widme dich wieder dem Leben – oder bereite ihm konsequenterweise ein Ende. Aber wenn er jetzt einfach aufgeben würde, kapitulieren, dann wären all die Tode sinnlos. Mathilde ist nicht umsonst gestorben, genauso wenig wie Frost, und wie Sylvie natürlich, und wie Bohin und Antonelli …
    »Da, ein Taxi!« Camilles Stimme reißt ihn aus seinen Betrachtungen und Einsichten, zwingt ihn zurück in den feuchten, düsteren Tunnel unter einer Autobahn, auf der gerade Sylvies Mutter gestorben ist. An seiner Stelle. Er fragt nicht, wieso das Taxi ausgerechnet dort steht, sondern steigt einfach ein.
    »Sie haben Glück, ich wollte gerade nach Hause fahren«, sagt der Fahrer. So viel kann Ethan verstehen.
    Neben ihm auf dem Rücksitz bricht

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