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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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den Hühnerstall eingedrungen und hatte schon ein Huhn in ihrem Maul. Als er, durch das aufgeregte Gackern der Hühner alarmiert, in den Stall kam, war das Huhn schon gelähmt. Er rannte zum Schuppen, riss die Pistole aus dem Werkzeugkasten, wo sein Vater sie aufbewahrte, lief zurück in den Hühnerstall und schoss der Schlange eine Kugel durch den Kopf. Sie flog durch die Luft und klatschte in den Sand. Tot, mit einem blutigen, zerfetzten Kopf. Das Huhn war auch tot.
    Sein Vater, der eine Viertelstunde später zurückkam, klopfte ihm stolz auf die Schulter, und seine Mutter sah ihn mit einem komischen Blick an. Als würde sie sich fragen, ob das normal wäre für einen Achtjährigen, einer Schlange den Kopf wegzuschießen. Sie war schließlich froh, dass er sich für das Stadtleben entschied.
    Aber damals, als Kind, in jenem Augenblick, als er abdrückte und nicht wie sonst hin und wieder auf Flaschen zielte, da wurde etwas greifbar, da zerbarst die Trennwand zwischen ihm und der Welt.
    Viele Jahre später, mit achtzehn, als er mal wieder nachts mit seinen Surf-Freunden in Sydney unterwegs war, von einem Pub zum nächsten zog, bremste einmal direkt vor ihnen ein Streifenwagen, die Reifen quietschten, zwei Polizisten stürzten heraus und zogen die Waffen. Da erst sahen Ethan und seine Freunde den Freak, der auf die Straße rannte, mit ausgestreckten Armen die metallisch reflektierende Waffe hielt und auf die Polizisten zielte.
    Was in den nächsten Sekunden geschah – vielleicht eineBewegung, vielleicht ein Gedanke, ein Blick –, bekam er nicht mit, erst wieder die beiden Schüsse, worauf der Freak zuerst in die Knie ging, dann zu Boden fiel. Die Pistole schlitterte über den Asphalt, und unter dem Kopf breitete sich eine Blutlache aus, merkwürdig lila im künstlichen Licht der Straßenlaternen und Neonlichter der Pubs und Sexshops.
    Später stand in den Zeitungen, dass es gar keine Pistole gewesen war, sondern ein Stück Metallrohr, und dass die Polizei es irrtümlich für eine Waffe gehalten hatte. Der Freak war bis oben voll mit Drogen und wollte auf diese Weise seinem Leben ein Ende setzen. Gegen den Polizisten, der geschossen hatte, wurde ein Verfahren eingeleitet.
    Einen Monat später passierte der Unfall mit Tony. Danach ging er zur Armee. Als eine Art Reue für die Zeit, in der er so sorglos auf den Wellen gesurft war …
    Während Ethan aus der Métro aussteigt und die Station verlässt, tasten seine Finger immer wieder unter seinen Mantel in die Jackentasche und berühren das kalte Metall des Laufs. Weder Dr. Antonelli noch Sylvie hätte er damit schützen können und sich selbst in der vergangenen Nacht auch nicht. Wozu also? Doch dann denkt er wieder an die Schlange.
    Es ist ihm klargeworden, als er Zouzous Laden verlassen hat: Wenn Dr. Antonelli niemandem von ihrem Treffen erzählt hat und vorausgesetzt, sie ist nicht beschattet worden, dann gibt es außer ihnen beiden nur eine Person, die davon wissen konnte. Aamu. Vielleicht gehört sie zu der militanten Ökogruppe? Warum, zum Teufel, hat er nicht früher daran gedacht?
    Sie ist die Einzige, die Bescheid weiß. Er kann sich erinnern, wo sie wohnt. Er hat sie mit dem Taxi dorthin gebracht. Seltsam. Zufällig ist er nur zwei Straßen von ihrem Haus entfernt. Er läuft fast, drückt die Hand an die Mantelseite, auf der sich die Waffe befindet. Er ist es nicht gewöhnt, bewaffnet in der Stadt herumzulaufen.
    Der Weg ist länger als gedacht. Doch schließlich steht er schwer atmend vor ihrem Haus, einem schmucklosen, funktionellen – und billigen – Bau aus den Siebzigern mit Namensschildern an den Klingeln. Im Gegensatz zu seinem Haus, das polierte Messingklingelschilder ohne Namen darauf hat.
    Wie heißt sie eigentlich mit Nachnamen? Er hat nie danach gefragt. Trotzdem hat er ihr vertraut.
    Gut, er wird den Namen finden. Sie kommt aus Finnland …
    »Wohin wollen Sie?«
    Er fährt herum. Eine dunkelhäutige Frau stellt schnaufend vier Plastiktüten ab und fischt einen Schlüssel aus ihrer Handtasche. Ein Geruch von Bratfett und Pommes frites umhüllt sie.
    »Ich weiß ihren Nachnamen nicht. Aamu. Eine junge Frau, nicht besonders groß, trägt …«
    »Ach die, ist neu hier.« Sie streckt einen dicken braunen Finger mit hellrosa Nagellack aus und deutet auf ein Klingelschild. »Viitamaa.«
    »Danke.«
    »Schon gut.« Die Frau nimmt ächzend die Taschen wieder auf, während er klingelt.
    Niemand öffnet. Kurz bevor die Glastür hinter der Frau mit den

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