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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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nicht, was das mit mir …«
    Noch immer ist sie seinem Gesicht ganz nah, er sieht die winzigen Fältchen, die sich um ihre Augen bilden; wenn sie sie zukneift, wie jetzt, sieht er ihre dunklen Wimpern.
    »Weil du als Einzige gewusst hast, wo und wann sich Dr. Antonelli mit mir treffen wollte.«
    »Aber, das ist doch …« Sie flüstert immer noch.
    »Das ist was?« Er flüstert nun auch.
    »… lass mich los!« Sie schreit, schüttelt ihr Handgelenk, und erst jetzt merkt er, dass er es festhält, doch er lässt nicht locker.
    »Wo warst du gestern?«, fragt er sie.
    »Hier! In der Uni! Du bist ja verrückt!« Sie zieht weiter an ihrem Handgelenk, will aus seiner Umklammerung heraus.
    »Ach ja?« Nein, so schnell kommt sie ihm nicht davon.
    »Woher weißt du, dass diese Antonelli nicht schon beschattet wurde? Vielleicht stand sie auch auf der Todesliste dieser bescheuerten Ökos!«
    Ja, das wäre möglich. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie gerade in dem Moment erschossen wird, als sie ein Geheimnis preisgeben will.
    »Und warum wollte man mich dann auch erschießen, he?« Er schraubt seinen Griff fester.
    »Du tust mir weh!« Sie starrt ihn an, ungläubig, dass er zu so etwas fähig ist. Und dann fällt ihr Blick auf seine Jackentasche.
    »Was hast du vor?«, flüstert sie.
    Er weiß nicht, warum, aber in diesem Moment wird ihm die Absurdität der Situation bewusst. Er bedroht eine Frau, die ihm bis zu den Schultern reicht und unbewaffnet ist, die ihn in ihre Wohnung gelassen hat und ihm Kaffee kocht.
    Er lässt ihr Handgelenk los. »Entschuldige«, murmelt er, »es tut mir leid, ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
    Jetzt greift sie nach seinem Handgelenk, zieht ihn zu sich.
    »Was willst du mit der Waffe?«
    »Den Mörder meiner Frau töten.«
    »Kannst du denn damit umgehen?«, fragt sie ruhig.
    »Ich hab ein paar Wettbewerbe im Tontaubenschießen gewonnen.« Es ist keine Lüge, er lässt nur die Zeit in der Armee weg.
    »Tontauben.« Sie zieht die Brauen hoch. »Dir ist klar, dass auch dein Gegner seine Waffe ziehen wird? Die Wahrscheinlichkeit … Was hast du da?« Sie deutet auf seinen Hals.
    »Muss mich geschnitten haben.«
    Sie glaubt ihm nicht, das sieht er.
    »Ich habe geglaubt, du warst es.«
    Sie erwidert nichts.
    »Und, warst du es?«
    »Nein«, sagt sie trocken und dreht sich zum Wasserkocher um, aus dem schon längst brodelnder Dampf steigt.
    Er verliert die Kontrolle. Über die Situation, über sein Leben. Er hat Leon nicht zurückgerufen, Mathilde nicht verständigt, er müsste sich um die Beerdigung kümmern – stattdessen wird er gewalttätig, wer weiß, er hätte auch noch versucht, in ihre Wohnung einzubrechen. Und er würde sogar jemanden töten. Und wenn er sich dabei genauso irren würde wie jetzt?
    »Entschuldigung«, murmelt er noch mal und will gehen.
    »Halt!« Sie läuft zur Tür, stellt sich mit ausgebreiteten Armen davor.
    »Lass mich gehen, Aamu.«
    »Was denkst du, wer ich bin?«
    »Es tut mir leid, Aamu, das habe ich schon gesagt.«
    »Ethan, ich habe deine Frau sehr bewundert. Und ich will, dass ihr Mörder gefasst wird. Aber bitte«, sie lässt die Arme sinken, »du musst mir vertrauen.«
    Sie steht da, die gletscherhellen Augen lassen ihn nicht los.
    »Ich geh jetzt.«
    Langsam gibt sie die Tür frei. »Was wirst du tun?«
    »Keine Ahnung. Wirklich.«
    »Ethan?«
    Er ist schon an der Treppe. »Ja?«
    »Ich will dir helfen.«
    Er nickt. »Ja, danke.« Mehr kann er nicht sagen. Im Moment kann er gar nichts mehr sagen.

    Es dämmert. Schon wieder ein Tag vorbei, und Sylvies Mörder läuft noch immer frei herum. Er greift in die Jackentasche und nimmt die Packung Zigaretten heraus. In dem Augenblick weiß er, dass Lejeune ihn gelinkt hat. Und er ist auf ihren miesen Trick reingefallen. Wütend zerknüllt er die Schachtel mit den restlichen Zigaretten und wirft sie in den Rinnstein. Auf dem Weg zur Métro ruft er Robert in der Klinik an. Er hat tatsächlich Dienst und ist auch gleich am Telefon.
    »Ethan, wie geht es dir? Kann ich dir helfen?«
    »Ich wüsste gern, ob Sylvie, ich meine, ob ihr eine Medizinstudentin als Praktikantin auf eurer Station hattet.«
    Pause. Er überlegt wohl, was diese Frage mit Sylvies Tod zu tun haben könnte.
    »Wir haben immer welche … Ja, wir hatten eine, sie hieß, glaube ich, Aamu. Genau, ein finnischer Name. Sie hat sich nach Sylvies Tod krankgemeldet. Aber … warum fragst du?«
    »Sie ist Medizinstudentin?«
    »Ja, sicher … was denn

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